Mode erfüllt mehr als das rein funktionale Bedürfnis nach Kleidung, Sie ermöglicht uns Identität und Ausdruck unserer Persönlichkeit in unserer sozialen Umgebung und in der Gesellschaft. Sie stärkt unser Selbstwertgefühl, bietet Aufregung, Spaß und hedonistisches Vergnügen. Durch das, was wir tragen, kommunizieren wir, wer wir sind, drücken Status aus. Fast Fashion hat Mode demokratisiert, beschleunigt durch soziale Medien. Noch niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit war dieser Nutzen für so viele Menschen zugänglich.

Und wie sie diese Möglichkeit nutzen… Pro Person werden über 11kg Textilfasern konsumiert, in Europa sind es 31, in den USA 38kg. In unseren Kleiderschränken befinden sich im Schnitt 173 Kleidungsstücke, und jedes Jahr kaufen wir 46 neue und werfen genauso viele weg. Was damit passiert haben wir schon besprochen.

Quelle: Hogeschool van Amsterdam

Der Konsum an Kleidung wächst stärker als das Bruttoinlandsprodukt. 60% der Deutschen sagen, sie besitzen zu viel Kleidung. 62% der Konsumenten fühlen sich durch Fast Fashion Hersteller ermutigt, Dinge zu kaufen die sie nicht benötigen. Jeder Fünfte spürt den Druck durch soziale Medien, Fast Fashion zu kaufen. 42% geben zu, Shoppen ist eine Angewohnheit, die schwer zu stoppen ist. Die Hälfte der Konsumenten versteckt ihre Käufe vor anderen. 15% der Deutschen bezeichnen sich selbst als shoppingsüchtig. Junge Frauen mit hohen Einkommen sind dafür laut Studien am anfälligsten.

Dabei macht Shopping nicht einmal glücklich. Die Hälfte der Konsumenten berichtet, dass die Aufregung durch den Kauf spätestens nach einem Tag vergeht.

Quelle: Greenpeace – After the Binge, the Hangover

Shoppen wir Fast Fashion dann aus anderen Gründen? 72% berichten, sie tun es um Geld zu sparen, denn während in den letzten Jahrzehnten Preise generell stiegen, sanken die Preise von Mode signifikant. Trotzdem kauft ein Viertel der Deutschen mehr als sie sich leisten können. In China betrifft das die Hälfte der Konsumenten.

Hundert Milliarden Kleidungsstücke werden pro Jahr weltweit konsumiert, das entspricht einer Verdopplung zwischen 2000-2015. Im gleichen Zeitraum hat sich die Nutzungsdauer um 36% reduziert, insbesondere in aufstrebenden Nationen wie China, aber auch in den USA und in Europa.

Quelle: Ellen MacArthur Foundation – A New Textiles Economy

Die meisten Kleidungsstücke werden nur 7-8 Mal getragen. Während ein Drittel der Deutschen glaubt, einige ihrer Kleidungsstücke in den letzten 12 Monaten nicht getragen zu haben, sind es in der Realität fast zwei Drittel. Fast jeder Zweite besitzt Kleidung, an denen sich noch das Preisschild befindet.

Medien, insbesondere soziale Medien, befeuern diese Entwicklung. Der Hashtag #ootd (Outfit of the Day) hat derzeit auf Instagram über 400 Millionen Posts. Influencer, aber auch ganz normale Konsument*Innen wollen nicht 2x im selben Outfit gesehen werden, also wird online bestellt, das Preisschild dran gelassen, ein Foto gemacht, und wieder retourniert. Wenn Herzogin Kate ein weißes Kleid mehrfach trägt („recycelt“), ist das der Presse Schlagzeilen wert.

Dem gegenüber steht das Wissen um die Auswirkungen von Fast Fashion. Drei Viertel der Konsumenten weiß, dass ihr individueller Konsum signifikante Auswirkungen auf den Planeten hat, die Hälfte glaubt, dass Fast Fashion schlecht für die Umwelt ist. Für drei Viertel von ihnen ist Nachhaltigkeit extrem oder sehr wichtig.

Trotz dieses Wissens können wir uns nicht auf Verhaltensänderungen der Konsumenten verlassen. Zwar nennen 7% von ihnen Nachhaltigkeit als wichtigstes Kaufkriterium, aber für mehr als doppelt so viele ist es ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis (16%) oder dass es „ihre Marke“ ist (15%). Nur ein Bruchteil der Konsumenten, 6%, ist bereit, mehr für nachhaltige Mode zu zahlen, und die allerwenigsten wissen, wie ihre gekaufte Kleidung hergestellt wurde oder was mit ihr passiert, wenn sie ausgedient hat. Und diejenigen, die sich die Mühe machen sich zu informieren, finden im Dschungel des enthusiastischen Marketing zur Nachhaltigkeit kaum echte Orientierung.

Sogar die junge Generation, denen das Thema des Klima- und Umweltschutzes am Herzen liegt, entkommt den Verlockungen der Fast Fashion Industrie nicht. Mehr als die Hälfte der Gen Z Konsumenten kauft Fast Fashion, zwei Drittel besitzen Kleidung, die sie noch nie getragen haben. Ihre Gefühle dazu sind ambivalent und komplex – einem Wunsch nach bewussten Konsum steht das Bedürfnis zu trendiger Kleidung gegenüber. Und diesen Wunsch erfüllt ein neuer Akteur, der Fast Fashion Giganten wie H&M und Zara langsam und teuer aussehen lässt: Shein. Während diese beiden Marken in den ersten 4 Monaten diesen Jahres 11,000 Artikel anboten, waren es bei Shein 315,000. Jeden Tag kann man auf Shein tausende neue Kleidungsstücke finden, und die jungen Konsumenten präsentieren ihre Käufe stolz in „Shein Haul“ Videos. Mittlerweile wird Shein mit 100 Milliarden US Dollar bewertet.

Der Reiz von Fast Fashion ist ungebrochen. Unterstützt von Milliarden Euros an Marketingausgaben, von smarten Menschen bediente Social Media Maschinen, sowie tausenden von Influencern, die diese Maschine weiter befüttern, wird uns suggeriert, die vor Selbstwertgefühl und charismatischer Persönlichkeit nur so strotzende Version unserer selbst befindet sich nur einen Kleidungskauf entfernt. Das müssen wir anerkennen, wenn wir nach Lösungen für das Problem des Überkonsums suchen. Ein alternativer Weg wird nur dann beschritten werden, wenn er genauso attraktiv wirkt wie der bisherige.

(Quellen: Gesamtauflistung aller Quellen hier)

Foto: Shein