Greenwashing ist der Versuch, die Wahrnehmung zu erzeugen, dass eine Marke/ Firma mehr dafür tut, die Natur zu schützen, als das der Fall ist. Dazu gehört die Verfälschung oder die Übertreibung grüner Referenzen zu einem Produkt, der Marke oder der ganzen Firma. Es suggeriert Konsumenten, dass bedeutsame Veränderung passiert, obwohl dies nicht der Fall ist.
In Großbritannien hat die CMA (Competition & Markets Authority) sechs Prinzipien definiert, die bei der Nutzung grüner Behauptungen befolgt werden sollen.
- Sie müssen wahrheitsgemäß und akkurat sein.
- Sie müssen klar und eindeutig sein, damit die damit einhergehende Konsumentenwahrnehmung mit den tatsächlichen Referenzen des Produkts übereinstimmt.
- Sie dürfen keine wichtigen Informationen auslassen oder verstecken, damit Konsumenten eine bewusste und informierte Entscheidung treffen können.
- Sie dürfen nur faire und sinnvolle Vergleiche anstellen.
- Sie müssen die vollständigen Auswirkungen des Produkts über den gesamten Lebenszyklus hinweg berücksichtigen und nicht nur Teile davon oder bestimmte Aspekte in den Vordergrund rücken, während andere vernachlässigt werden.
- Sie müssen begründet sein, also mit robusten, glaubwürdigen und aktuellen Daten untermauert werden können.
Diese Prinzipien können helfen, im Phrasendschungel der Modeindustrie die Orientierung zu behalten. Studien haben ergeben, dass 60% der grünen Behauptungen irreführend sind, bei den schlimmsten Akteuren sogar bis zu 90%. Dabei reichen die Aktivitäten von subtilen Mitteln (die Nutzung von Logos, Farben und Visualisierungen, oder das geschickte Auslassen von Informationen) bis hin zu breiten und vagen Behauptungen. (Eine feine Sammlung anschaulicher Beispiele findet sich hier.)
Fangen wir mit genau diesen vagen Behauptungen an. H&M hat dabei eine „conscious collection“ (eine bewusste Kollektion), Zara die „Join Life Kollektion„, und bei Boohoo sind wir bereits „ready for the future“ (bereit für die Zukunft). Oft wird dabei als Ambition genannt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen (Make the World a Better Place).
Ist das so?
Produkte sollen „nachhaltiger“ sein – nachhaltiger als was?
Oft wird von verantwortungsbewussten Produkten gesprochen, damit ist oft gemeint, sie sind „sustainably sourced“ oder „sustainably made„, beziehen sich also auf die Lieferkette. Was genau gemeint ist, bleibt zumeist unklar.
Manchmal bezieht sich die Verantwortung auf die Materialien. Dabei kann schon ein Baumwollbesatz aus Baumwolle der BCI (Better Cotton Initiative) auf einem Kleidungsstück aus Polyester ausreichen. Ein Gucci-Kleid hat „Öko-Features“ durch die Nutzung von Viskose aus nachhaltiger Forstwirtschaft, vergisst dabei aber zu erwähnen, dass es durch einen Mix aus Viskose und Synthetikmaterial nicht recyclingfähig ist. Eine Hose von H&M besteht aus einem Mix von synthetischen Materialien, Viskose und Baumwolle, unmöglich zu recyceln, aber sie gehören zur conscious collection, denn der Polyesteranteil ist recycelt, und diese „Öko-Materialien“ sind „nachhaltiger„.
„Umweltfreundlich“ durch die Nutzung recycelter Materialien
Der Einsatz recycelter Materialien ist zu begrüßen, jedoch haben wir die Limitierungen des Recyclings schon ausführlich besprochen. Wenn die Anwendung recycelter Materialien beworben wird, lohnt sich immer ein genauer Blick. Besteht das Produkt aus einem Monomaterial oder einem Materialmix? In dem Fall, welches der Materialien enthält recycelte Anteile, und wieviel davon? Ist das Produkt recyclingfähig?
Bei der Nutzung recycelter Materialien kann es sich auch um eine Scheinlösung handeln, denn die Nutzung von Plastikmüll aus dem Meer adressiert nicht das Plastikmüllproblem an sich, und die Verwendung von PET Flaschen für recyceltes Polyester ist kein Recycling sondern Downcycling und bedeutet in Abwesenheit skalierter chemischer Recyclinglösungen zumeist Endstation Müllhalde.
„Recycelbare“, „kreislauffähige“ Produkte
In dieser Rubrik finden sich Slogans wie „Made to be remade“ (gemacht, um neu gemacht zu werden). „Einfacher zu recyceln“ oder „more recyclable“ – verglichen mit was, und zu welchem Grad? Wird hingewiesen, wie das Produkt nach seiner Nutzungsphase zurückgegeben werden soll? Wenn es zurückgenommen wird, was passiert dann mit ihm? Wie soll die „Circular Jeans“ von Primark (aus 2% Elasthan, 20% recycelter Baumwolle und 78% neuer Baumwolle, mit ihren Reißverschlüssen aus Metall) zurückgegeben werden, wie wird sie weiterbearbeitet? Existiert eine „Faser-zu-Faser“ Recyclinglösung für das Produktmaterial? Ist sie technisch und kommerziell ausgereift und verfügbar?
Oft locken im Gegenzug zur Rückgabe ausgedienter Produkte Rabattgutscheine für Neukäufe. Dient das einer höheren Rücklaufquote zum Recycling, oder eher als Mittel für noch mehr Konsum?
„Made to be remade“ deutet irreführenderweise an, dass die einzige Notwendigkeit der Veränderung der Modeindustrie darin besteht, das Produkt kreislauffähig zu machen. Tatsächlich handelt es sich bei Rücknahmeprogrammen von Firmen wie H&M, Primark und Shein eher um „Kreislauf-Washing“.
Sind die grünen Behauptungen bedeutsam?
Macht es einen Unterschied, also betrifft es einen signifikanten Anteil des Produktes? Ist es relevant? Welche Aspekte der versprochenen „Nachhaltigkeit“ betrifft es? „Vegane“ Produkte können aus Sicht des Tierwohls sinnvoll sein, bestehen dann aber aus fossilen Rohstoffen, also aus Plastik. Wie schon besprochen, werden Produkte aus synthetischen Materialien bei Methoden wie dem Higg Imdex als umweltfreundlicher präsentiert, kommen aber mit einem Rucksack anderer Probleme (Müll, Recyclinglimitierungen, Mikrofasern,…). Gut, dass der Higg Index gerade eben durch den Vorwurf von Greenwashing in Norwegen in die Diskussion geraten ist und reagieren muss.
Wenn Fast Fashion Giganten eigene Verkaufsplattformen für gebrauchte Kleidung eröffnen, handelt es sich bei diesen auf kurzlebige Trends und niedrige Preise optimierten Produkte eher um ein Gimmick. Genauso wenig substantiell ist der Hinweis auf ein reines Online-Vertriebsmodell ohne eigene Läden, da der Fußabdruck von physischen Läden nur 3% der Emissionen ausmacht. Und bei Hinweisen darauf, dass ein Produkt nachhaltig ist, weil es auf verschiedene Arten getragen und kombiniert werden kann, wird es langsam lächerlich, getoppt nur noch vom Hinweis von einigen Fast Fashion Herstellern, die Reduktion ihrer firmeninternen Meetings spare Strom und Papier und mache sie daher nachhaltiger.
Untersuchungen haben ergeben, dass bei 40% aller grüner Behauptungen auf grüne Labels und Zertifizierungen hingewiesen wird. Kann man diesen trauen? Um diese Frage adäquat zu beantworten, bräuchte es einen separaten Artikel. Daher nur der Hinweis auf den Report „Licence to Greenwash“ der Changing Markets Foundation, der die 10 bekanntesten und wichtigsten Initiativen und Schemata untersucht, unter ihnen Higg MSI der Sustainable Apparel Coalition, die Ellen MacArthur Foundation, Oeko-Tex, Cradle2Cradle, Bluesign, oder das EU Ecolabel.
In aller Kürze: die Modeindustrie ist eine der am wenigsten regulierten Industrien der Welt. Zwar gibt es ehrliche und ernsthafte Versuche, in Abwesenheit von Regularien und Gesetzen Initiativen zu mehr Nachhaltigkeit der Industrie voranzutreiben, aber die Mängel und Defizite dieser Labels und Zertifikate öffnen die Tür für Greenwashing und versprechen Käufern Konsum ohne schlechtes Gewissen. Dabei sind die meisten solcher Initiativen nicht unabhängig, sondern unterliegen dem Einfluss von Industrieinteressen ihrer zahlenden Mitglieder, sie sind nicht ambitioniert genug, schaffen nicht genug Transparenz, sind nicht umfassend genug, fokussieren sich nur auf einzelne Aspekte wie Chemikalienmanagement oder Emissionen, sind nicht wirksam, und adressieren Probleme wie Überkonsum, Überproduktion sowie die Nutzung synthetischer Materialien nicht.
Die Mitgliedschaft bzw. Zertifizierung einer Firma bedeutet nicht, dass diese nachhaltig ist, noch dass entschlossen gehandelt wird.
Dabei kommen verschiedene Methoden des Greenwashing zur Anwendung:
Verzögerungstaktiken: freiwillige Ziele in ferner Zukunft oder der Hinweis, dass die Veröffentlichung der Strategie und Ziele für nächstes oder übernächstes Jahr geplant ist. Damit wird systemische Transformation und Handlung im hier und jetzt vermieden.
Ablenkungsmanöver: die Lieblingstaktik der Industrie. Firmen signalisieren mit unzureichenden oder falschen Versprechungen sowie Scheinlösungen nachhaltiges Handeln: die Verwendung recycelter synthetischer Materialien, Plastikvermeidung in der Verpackung (statt in der Kleidung), Recyclingfähigkeit, das Vorgaukeln technologischer Lösungen (H&M’s vielzitiertes Loop System kann weder mit Polyester noch mit Polyblends umgehen, und auch wenn sie in jedem H&M Laden der Welt stehen würde, würden sie 10 Jahre benötigen, um das Äquivalent des in einer Woche entstehenden Kleidungsmülls zu verarbeiten. Die ebenfalls von H&M entwickelte „Green Machine“ existiert noch nicht einmal in kommerzieller und technologischer Reife). Markenwebsiten schmücken sich mit Zertifizierungen und grünen Labels, während die angepriesenen nachhaltigen Lösungen nur in einem Bruchteil ihrer Kollektionen zur Anwendung kommen (die Cradle2Cradle Zertifizierung von C&A betrifft nur 21 von 3,000 Produkten, die von Primark nur 2 von 540).
Sabotage: Die perfideste Taktik der Industrie, denn mit dem Argument der Existenz der freiwilligen Zertifizierungen und Initiativen und dem Hinweis auf ihre Unabhängigkeit und Wirksamkeit wird versucht, Regulierung aktiv zu blockieren.
Die freiwilligen Initiativen und Zertifizierungen der Industrie haben weder transformative Wirkung zeigen können noch die Nachhaltigkeit der Industrie verbessert. Sie können eine Rolle spielen, Transparenz zu schaffen, über Best Practices zu informieren, und die Nachhaltigkeitsambitionen der Industrie ständig zu erhöhen, aber sie sind kein Ersatz für effektive Regulierung und Gesetze. Es braucht eine Umkehr der Beweislast auf die Industrie statt sich darauf zu verlassen, dass ein in die Irre geführter Konsument die „richtige“ nachhaltige Kaufentscheidung trifft. Die Umsetzung einer angedachte EU Textilstrategie wäre ein guter Anfang und könnte eine erweiterte Verantwortung der Hersteller für ihre Produkte, eine Steuer auf die Verwendung von neuen synthetischen Materialien, strenge Regeln zu Mikrofasern, sowie die Verpflichtung für eine vollständige Transparenz in der Lieferkette beinhalten.
Am Ende steht wieder die Einsicht: eine nachhaltige Modeindustrie existiert nicht. Es geht nur um die Reduktion von Auswirkungen, aber: „Less unsustainable is not sustainable.“ Der Begriff der Nachhaltigkeit in der Modeindustrie ist damit so bedeutungslos, dass er die ehrlichen Bemühungen von engagierten Herstellern und den Willen von Käufern, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen, untergräbt.
(Quellen: Gesamtauflistung aller Quellen hier)
Foto: Quelle unbekannt
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