Seit Wochen wird über Verbrennerverbote, eFuels und vermeintliche Heizungsverbote gestritten. Auch im Koalitionsausschuss wurde um Kompromisse gerungen. Die mediale Begleitung des Spektakels kann schon beim bloßen Zuschauen dazu führen, sich genauso erschöpft zu fühlen wie die übernächtigten Koalitionspartner. Während wir noch versuchen, die Ergebnisse des Koalitionsausschusses einzuordnen, ist Volker Wissing schon wieder aktiv und sagt:

„Wie Sie wissen, soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. Das heißt: Die CO₂-Emissionen müssen runter, auch im Verkehrsbereich. Das schaffen wir aber NICHT mit Verboten, Einschränkungen oder höheren Preisen. Denn das würde die Mehrheit der Menschen nicht mitmachen.“

Also Klimaschutz ja, aber ohne etwas zu verbieten, ohne sich einzuschränken, ohne dass irgendetwas teurer wird. Geht das überhaupt? Und wenn ja, wie?

Keine Verbote

Verbote wie das Ende des Verbrenners bis 2035 oder ein Tempolimit stehen sinnbildlich für die Beschränkung individueller Freiheiten. Also wird die ordnungspolitische Rolle des Staates und dessen Legitimierung debattiert, Verbote auszusprechen. Aber wer, wenn nicht eine demokratisch gewählte Regierung, kann und muss Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls der Gesellschaft treffen? So wie ein Verbot von Asbest, verbleitem Benzin, FCKW, dem Rauchen in Bussen, Bars und Restaurants, oder dem Fahren bei roten Ampeln. Auch die Pflicht zu Sicherheitsgurten und Katalysatoren in Autos, Helmen beim Motorradfahren, einer grünen Plakette in Umweltzonen, oder Entschwefelungsanlagen in Kohlekraftwerken dienen dem Wohl und der Gesundheit der Menschen.

Natürlich sind Verbote legitim und notwendig, wenn sie der Bekämpfung der Klimakrise dienen. Insbesondere dann, wenn die Auswirkungen der Klimakrise unsere Freiheit ungleich mehr beschränken werden.

Keine höheren Preise

Statt Verbote auszusprechen soll Klimaneutralität dann oft mittels marktwirtschaftlicher Anreize erreicht werden, zum Beispiel durch einen Emissionshandel und einer CO₂ Bepreisung.

Konkret bedeutet das, ungewünschtes weil klimaschädliches Verhalten soll sich nicht mehr lohnen.

Im Verkehrssektor gibt es diesen CO₂-Preis bereits. Aktuell steht er bei 30 Euro je Tonne CO₂, was einen Liter Benzin um 7 Cent, einen Liter Diesel um 8 Cent verteuert. In den nächsten drei Jahren steigt der CO₂-Preis auf 55 Euro pro Tonne, damit wird ein Liter Benzin weitere 6 Cent, ein Liter Diesel 7 Cent teurer. Wenn der CO₂-Preis so hoch wäre die vom Umweltbundesamt bezifferten gesellschaftlichen Kosten einer Tonne CO₂, nämlich 237 Euro, dann würde der Preis eines Liters Benzin um 49 Cent, bei Diesel um 55 Cent, steigen.

Das erinnert an die Preissprünge des letzten Jahres. Vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stand der Dieselpreis bei 1,60 Euro. In der Spitze stieg er um 50-60 Cent auf 2,10 bis 2,20 Euro an, bis er langsam wieder sank. Wurde aufgrund des hohen Preises Benzin und Diesel gespart? Nein. Der Verbrauch von Benzin und Diesel verringerte sich nicht.

Heute steht der Dieselpreis wieder bei ungefähr 1,63 Euro. Bei einem CO₂-Preis von 237 Euro stünde er bei 2,18 Euro. Wie stark wäre die Wirkung dieses Preises, um die breite Masse der Menschen vom Verbrennungsmotor abzuschrecken?

Beim Heizen von Häusern sieht es ähnlich aus. Ein durchschnittliches deutsches Einfamilienhaus mit einem Verbrauch von 22,000 KWh Gas kann beim heutigen Gaspreis für 185 Euro im Monat beheizt werden. Das verursacht Emissionen von ca. 5,3 Tonnen CO₂ im Jahr. Ein CO₂-Preis von 55 Euro im Jahr 2026 verursacht Mehrkosten von 25 Euro pro Monat. Bei einem CO₂-Preis von 237 Euro wären das Mehrkosten von circa 105 Euro pro Monat. Statt 185 Euro müssten 290 Euro pro Monat bezahlt werden. Und dabei ist das ein fiktives Szenario, weit weg vom politisch diskutierten CO₂-Preis. Ja das wären signifikante Mehrkosten, aber würden diese dazu führen, dass Menschen ihre Gas- und Ölheizungen freiwillig durch klimaneutral betreibbare Heizarten ersetzen?

Das Dilemma des CO₂-Preises ist folgendes: Um wirklich Lenkungswirkung zu entfalten, muss ein CO₂-Preis sehr hoch sein. Und angesichts der Klimakrise brauchen wir eine extrem schnelle und wirksame Lenkungswirkung. Wenn das aber nur ein sehr hoher CO₂-Preis leisten kann, passt das so gar nicht zum Versprechen stabiler Preise. Hier ist Wunschdenken am Werk.

Keine Einschränkungen

Verbote wollen wir nicht, steigende Preise auch nicht. Und Verzicht schon gar nicht, sagt Christian Lindner. „Es ist nicht Volker Wissing, der die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht. Es sind die Bürger, die die Klimaziele nicht erreichen, weil die Menschen eben mobil sein wollen.“

Ok. Manche von uns haben die Wahl und können weniger fahren oder fliegen, vom Auto aufs Rad oder öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, vielleicht können wir alles Nötige zu Fuß erledigen. Aber einige von uns haben diese Möglichkeiten nicht, und sie können sie auch nicht schaffen. Individuen können keine Bahnverbindungen bauen, keine Straßen in Radwege umwandeln, keine Buslinien in den ländlichen Raum eröffnen, die Ticketpreise für Busse und Bahnen entscheiden, Tempolimits setzen, oder umweltschädliche Subventionen im Verkehrssektor abschaffen. All das kann nur die Politik. Und deswegen stellt auch das Klimaschutzgesetz klar, wer für die Emissionsreduktionen verantwortlich ist: die Regierung.

Quelle: Monitor (Facebook)

Statt in Sektoren wie dem Verkehr endlich mal loszulegen, beschloss der Koalitionsausschuss stattdessen die Aufhebung der Sektorziele. Gute Nachrichten für Volker Wissing. Schlechte Nachrichten für Klimaschutz im Verkehrssektor.

Wie dann?

Volker Wissing glaubt: „Wir brauchen die Akzeptanz und die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger für Veränderungen. Deshalb darf der Klimaschutz unsere Mobilität nicht einschränken.“

„Weiter so, aber klimaneutral!“ Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir es schon längst getan. Zu glauben das ginge ganz ohne Verbote UND ohne Mehrkosten UND ohne sonstige Einschränkungen unseres gewohnten Komforts, das hat etwas von sich selbst in die Tasche lügen.

Quelle: Katja Berlin

Walter Scheel sagte einst: „Es kann nicht die Aufgabe des Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.“ Die Politik ist in der Pflicht, Veränderungen zum langfristigen Wohl der Gesellschaft voranzutreiben.

Es kann nicht die Aufgabe des Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.

Walter Scheel

Werden diese Veränderungen mit Anstrengungen, Kosten und Einschränkungen verbunden sein? Wahrscheinlich ja.

Werden wir eventuell feststellen, dass uns diese Veränderungen gut tun werden? Gut für unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden, unsere Zufriedenheit, unser gesellschaftliches Miteinander? Wir werden es nicht wissen, ohne es auszuprobieren.

Foto: Jacek Dylag auf Unsplash