Der Pfad zur Klimaneutralität erfordert eine Abkehr von fossilen Energieträgern. Keine Reduktion, sondern eine fast vollständige Abkehr. Fossile Energieträger sind verantwortlich für 90% der globalen Emissionen, die weiterhin steigen. Jeder der drei großen fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas verursachte letztes Jahr Rekordemissionen.

Quelle: Carbonbrief.org

Bis 2050 braucht es eine komplette Transformation unseres Energiesystems. Die globale Nutzung von Kohle, Öl und Gas muss ab jetzt rapide schnell sinken, bei gleichzeitig konstant ansteigendem Energiebedarf. Die großen Treiber hierfür sind der entschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien, Effizienzgewinne durch die Elektrifizierung, sowie die gleichzeitige Umsetzung vieler weiterer Maßnahmen.

Quelle: BloombergNEF

Diese schwierige Aufgabe ist machbar, aber nur dann, wenn die großen Energiekonzerne ihren Anteil an dieser Transformation leisten. Wenn man ihren eigenen Zielen und Versprechen glauben kann, haben sie das verstanden.

So präsentieren sich viele der großen Öl- und Gaskonzerne auf ihren Websites, in ihren Strategiedokumenten und Geschäftsberichten als Klimaschützer. Klimaneutralitätsziele bis 2050. Bilder von Windrädern und großen Solaranlagen. Grüne Logos.

„Wir bringen Klimalösungen voran.“

„Unser Engagement für Nachhaltigkeit war noch nie so groß wie heute.“

„Wir beschleunigen den Übergang zu Netto-Nullemissionen.“

Alles wird gut.

Quelle: BP
Quelle: ExxonMobil
Quelle: Shell

Dann kam das Jahr 2022. Der brutale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mischte die Karten neu. Energiepreise explodierten, was weltweit Menschen schmerzhaft zu spüren bekamen. Die Regierungen mussten agieren. Die Sicherheit der Energieversorgung, die Stabilisierung der Energiepreise, sowie sicherheitspolitische Überlegungen traten in den Vordergrund und drängten die notwendige Energiewende zur Seite.

Die Profiteure der Krise waren die fossilen Konzerne. Allein die „Big Five“, die fünf großen Energiekonzerne, erwirtschafteten Gewinne von 195 Milliarden US Dollar.

Quelle: The Guardian

Genau jetzt, würde man denken, haben sie die finanziellen Möglichkeiten, den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Jetzt könnten sie ihrem Ziel der Klimaneutralität ihres Geschäfts einen großen Schritt näherkommen.

BP meldete mit 27,7 Milliarden US Dollar den Rekordgewinn seiner 114jährigen Konzerngeschichte. Noch im Jahr 2020 hatte sich BP das Ziel gesetzt, seine Emissionen bis 2030 um 30% zu reduzieren und 50 Gigawatt an Kapazitäten erneuerbarer Energien aufzubauen.

Angesichts der Rekordgewinne schraubte der Konzern nun seine Klimaziele zurück. Statt dem bisherigen Ziel der Reduktion der Öl- und Gasproduktion um 40% steht nun nur noch ein Ziel von 25%.

Zwar sollen bis 2030 noch immer 60 Milliarden US Dollar in Geschäftsbereiche wie Biokraftstoffe, Ladeinfrastruktur, Erneuerbare und Wasserstoff investiert werden, aber effektiv wurden die geplanten Investitionen in erneuerbare Energien reduziert. CEO Bernard Looney sagt dazu: „Wir werden uns auf den Wert konzentrieren. Und wenn wir einen Wert sehen, werden wir es tun. Wenn nicht, werden wir es nicht tun.“

Bei Exxon (55,7 Milliarden US Dollar Gewinn) und Chevron (35,5 Milliarden USD) sieht die Realität noch trauriger aus. Sie geben nur rund 10% Ihrer Kapitalinvestitionen für Erneuerbare aus.

Auch Shell erwirtschaftete 2022 mit 39,9 Milliarden US Dollar einen Rekordgewinn. Der Konzern investierte 25 Milliarden US Dollar, davon die Hälfte in Öl und Gas. Nur 14% der Investitionen (3,5 Milliarden US Dollar) flossen in Erneuerbare. Mehr als sieben Mal so viel, 26 Milliarden US Dollar, schüttete der Konzern an Dividenden an seine Aktionäre aus.

Shell will in 2023 seine Investitionen in Erneuerbare nicht erhöhen. Der Grund liegt in geringeren Renditen für Investitionen in Erneuerbare. CEO Wael Sawan sagte dazu: „Wir streben in jedem Geschäft, in das wir einsteigen, eine hohe Rendite an. Eine niedrige Rendite können wir nicht rechtfertigen. Unsere Aktionäre verdienen es, dass wir nach hohen Renditen streben.“

Schauen wir den Tatsachen ins Auge: aus wirtschaftlicher Sicht verhalten sich diese Konzerne perfekt rational. Investitionen in erneuerbare Investitionen sind mit 4-8% Renditen weniger profitabel als Investitionen in Öl und Gas mit Renditen von 10-15%.

Und sie profitieren gleich mehrfach – angesichts der Energiekrise verdoppelten die Staaten im letzten Jahr die Subventionen in fossile Energien auf über eine Billion US Dollar.

1.100.000.000.000 US Dollar.

Die fossilen Konzerne sind die Gewinner der Stunde. In der notwendigen Energiewende der kommenden Jahre werden sie die Verlierer sein. Also halten sie sich mit aller Kraft am Status Quo fest.

„Die Realität ist, dass die Welt heute von [fossilen Brennstoffen] lebt. Sie werden auch morgen, in fünf, in 10 und in 20 Jahren noch die Welt beherrschen.“ Mike Wirth, CEO von Chevron.

“Letzten Endes reagieren wir auf die Wünsche der Gesellschaft.” Bernard Looney, CEO von BP.

Aber profitiert davon die Gesellschaft?

Sind diese Konzerne tatsächlich profitabel?

Nehmen wir das Beispiel von Shell mit seinem Gewinn von 40 Milliarden US Dollar. Shell kann nur deshalb Profite erwirtschaften, weil der Konzern die Kosten fossiler Energie für Gesellschaft und Natur externalisiert hat.

Entlang der gesamten Wertschöpfungskette (von Scope 1 bis 3) verursacht der Konzern Emissionen von 1.375 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten.

Wenn man diese Emissionen mit den realistischen gesellschaftlichen Kosten von 214 US Dollar (201 Euro) pro Tonne CO2 bepreist, dann ergibt das eine Summe von 294 Milliarden US Dollar.

Statt einem vermeldeten Gewinn von 40 Milliarden verursacht Shell für die Gesellschaft also einen Verlust von 254 Milliarden US Dollar.

Wir können uns die fossilen Konzerne von heute nicht leisten. Auf ihre Versprechen, die Treiber der Energiewende und Klimaneutralität zu sein, können wir uns erst recht nicht verlassen. Und trotzdem brauchen wir ihre Expertise, Fachkräfte und finanziellen Mittel, um die Transformation unseres Energiesystems zu meistern.

Also braucht es neue Spielregeln. Wir müssen sie zwingen, Teil der Lösung zu werden statt weiterhin das der Kern des Problems zu sein.

Update 17.06.23

Shell bleibt Teil des Problems. Um die Renditen für seine Investoren zu stärken, hat Shell seine Pläne verworfen, die Ölproduktion bis 2030 jährlich zu reduzieren. Bis 2035 plant Shell 40 Milliarden US Dollar in die Entwicklung von Öl- und Gasprojekten zu investieren, während im selben Zeitraum Investitionen in Produkte mit niedriger Kohlenstoffintensität 10-15 Milliarden US Dollar geplant sind. Wie mit nur geringer Reduktion der Produktionsmengen fossiler Energieträger bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität des Konzerns erreicht werden soll, bleibt Shells Geheimnis.

Foto: Shell