Ein Energieträger erlebt eine Renaissance und wird immer wieder im Rahmen der Energiewende zum Klimaschutz als die perfekte Lösung diskutiert: die Kernkraft. Keine Emissionen. Geringe Kosten. Neue Reaktortypen ohne Risiko eines Atom-Gaus. Mini-Reaktoren auf Thorium-Basis (SMR’s). Kernfusion.

Im ersten Teil schauen wir uns an, wie es tatsächlich mit der Kernkraft traditionellen Typs aussieht.

Emissionen: Kernkraft ist, wie jeder andere Energieträger, nicht emissionsfrei. Wenn wir uns die CO2 Emissionen einzelner Energieträger über den gesamten Lebenszyklus betrachte, dann fallen signifikante Emissionen an vom Uranabbau über die Herstellung von Brennelementen, dem Bau von Kraftwerken, dem Rückbau, bis hin zur Endlagerung. Verschiedene Studien kommen zu einer Bandbreite von Emissionen je nach Standort und Reaktortyp, Herkunft der Brennelemente etc.: Das UBA(1) kommt auf 4-110g CO2 Äquivalente pro KWh (Median 12), das IPCC (Weltklimarat) kommt zu ähnlichen Ergebnissen, eine Studie des Ökoinstituts kommt auf rund 32g CO2e pro KWh im Falle „deutschen Atomstroms“. Das ist mehr oder weniger die Bandbreite von Wind (etwas weniger) und Solar (etwas mehr), und natürlich viel weniger als Gas, Kohle oder Öl.

Kosten: Die Kosten von Atomstrom werden oft als konkurrenzlos günstig beschrieben. Auch hier wieder muss eine Betrachtung der Gesamtkosten der Anlagen gemacht werden. Die Kosten für Wind- und Solarenergie ist in den vergangen 12 Jahren massiv gefallen (-70%/ -90%), während im gleichen Zeitraum die Kosten von Atomstrom um 33% gestiegen ist. Diese Kosten pro KWh Strom zeigen mittlerweile ein deutliches Bild: Onshore Windstrom kostet pro KWh 4-8 Cent (Tendenz sinkend), Photovoltaik 2-6 Cent (Tendenz sinkend), und Atomstrom 14-19 Cent, bei weit höheren Folgekosten für die Umwelt, Gesundheit und das Klima. „Aber wir können doch einfach die bestehenden Kernkraftwerke weiterlaufen lassen!“ – auch in diesem Fall sind mittlerweile die Kosten für Erzeugung und Speicherung von Strom aus erneuerbaren Energien günstiger als die Kosten der zusätzlichen KWh Atomstrom.(5) Warum würden wir dann die Transformation zu erneuerbaren Energien verlangsamen wollen?

Deutschland im Abseits: „Wir schalten unsere Atomkraftwerke ab, überall sonst werden AKWs gebaut.“ Weltweit sind derzeit rund 100 AKWs in Planung, ca. 50 im Bau. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Projekte alle realisiert werden. Die meisten betreffen China, Russland und Indien, in Europa gibt es derzeit sehr wenige Anlagen im Bau. Aber auch diese sind eher Projekte der Art Flughafen BER – verspätet und viel zu teuer. Hinkley Point C in Großbritannien, ein EPR Reaktor der ursprünglich für Baukosten von 3 Milliarden Euro konzipiert war, kostet mittlerweile 28 Milliarden Euro, kommt Jahre verspätet und benötigt schon heute Garantien des britischen Staates in Höhen von 100 Milliarden Euro für den Betrieb. Flamville in Frankreich ist 10 Jahre verspätet und kostet statt 3,3 Milliarden Euro nun wohl 12 Milliarden.

Kernkraft zur Grundlastsicherung der Energieversorgung: Es ist praktisch Konsens in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, dass der überwiegende Anteil des zukünftigen Energiesystems auf erneuerbaren Energien basieren wird, mit Fokus auf Solar, Wind und Biomasse. Kernenergie wird oft erwähnt als wichtiger Faktor der Sicherstellung der Energieversorgung bei Dunkelflauten. Da diese aber sehr selten auftreten, muss eine Ergänzung von erneuerbaren Energien im Mix relativ flexibel hoch- und runterregulierbar sein. Das ist die Kernenergie aber nicht. Atomkraftwerke sind träge Systeme, ebenso wie Kohlekraftwerke. Flexibel grundlastfähig sind daher nur Wasserkraft (Pumpspeicher- und Speicherwerke), gas- und wasserstoffbasierte Lösungen sowie bald auch die schnell voranschreitenden Lösungen der Energiespeicher.

Fazit: Atomkraftwerksprojekte sind am Finanzmarkt kaum finanzierbar, kaum versicherbar, und funktionieren ohne massive staatliche Subventionen und Garantien nicht. Atomstrom ist zu teuer und war noch nie marktwirtschaftlich konkurrenzfähig. Der Bau neuer Anlagen dauert zu lange, um uns bei der Bewältigung der Klimakrise zu helfen. Das Risiko von Störfällen ist nach wie vor da, insbesondere da 2/3 der laufenden Kernkraftwerke auf der Welt älter als 30 Jahre sind.

Kernkraftwerke sind nicht in der Bevölkerung akzeptiert (stellen wir uns vor, dass diejenigen, die gegen Windkraft in ihrer Umgebung protestieren nun die Information erhalten, es wird stattdessen ein Kernkraftwerk hinter ihrem Dorf gebaut werden), und die Endlagerung ist nach wie vor ungeklärt… in ganz Deutschland gibt es derzeit kein einziges Endlager, und auch hier besteht neben den technischen und geologischen Anforderungen das Problem der Akzeptanz in der Bevölkerung.

Der Anteil der Kernenergie am deutschen Strommix betrug 2021 13%, kann aber innerhalb kurzer Zeit durch den Ausbau erneuerbarer Energien kompensiert werden. Außerdem ist Deutschland immer noch Nettostromimporteur, das Abschalten dieser Kernkraftwerke wird uns nicht in eine ungesunde Abhängigkeit im Stromimport führen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Scientists for Future(3) bestätigt noch einmal, dass Kernenergie keine Technologie zur Lösung der Klimakrise ist. Ebenso haben ehemalige Verantwortliche des Kernenergiesektors in einem gemeinsamen Statement die Abkehr von neuen Reaktorprojekten gefordert(4).

Auf den Dächern von Pripyat mit Blick auf das Kernkraftwerk Tschernobyl (Quelle: privat)

Fortsetzung in Teil 2: „Wir brauchen Mini-Reaktoren die mit Thorium arbeiten!“

Quellen/ zur Vertiefung:

(1) Umweltbundesamt – Ist Atomstrom wirklich CO2-frei? (inkl. Links zu den Studien des IPCC und des Ökoinstituts)

(2) Deutsche Welle – Faktencheck: Ist Atomenergie klimafreundlich?

(3) Scientists for Future – Kernenergie keine Technologie zur Lösung der Klimakrise

(4) Power – Former Nuclear Leaders: Say ‘No’ to New Reactors

(5) Deutsche Welle – „Atomkraft verschlimmert die Klimakrise!“

Foto: Mick Truyts auf Unsplash