Einer der Gründe für die wahrgenommene Renaissance der Atomkraft ist die Hoffnung, die in Small Modular Reactors (SMRs) gesetzt wird. US Präsident Joe Biden wirbt für sie genauso wie Bill Gates, der sie zu einem der Eckpfeiler der Energietransformation zur Bewältigung der Klimakrise macht. Das überrascht nicht, wenn man weiß, dass Bill Gates mit Terrapower selbst massiv in diese Technologie investiert ist.

Was sind diese SMRs, also kleinen modularen Reaktoren?

Die Idee ist nicht neu, sondern geht in die 1950er Jahre zurück. Damals wollte man nicht nur stationäre Atomkraftwerke bauen sondern mit kleinen Reaktoren Schiffe (Eisbrecher, Flugzeugträger, U-Boote) antreiben. SMRs sind eigentlich eine Vielzahl von verschiedenen Reaktortypen und -konzepten. Die Mehrheit dieser befindet sich im Stadium von Konzeptstudien. Aufgrund ihrer reduzierten Leistung von weniger als 300 Megawatt (elektrische Leistung) braucht man von ihnen sehr viele mehr als die heute existierenden Großreaktoren, die zwischen 1.000 und 1.600 MWe leisten, im Faktor 3-1.000. Statt ca. 400 großer Kernkraftwerke heute würde man demnach viele tausend bis zehntausend dieser kleinen Reaktoranlagen benötigen.

Quelle: IAEA

Die Vorteile dieser Reaktortypen sind vorhanden: aufgrund ihres modularen Aufbaus können sie industriell in Serie gefertigt werden, sie können z.B. mit Thorium statt Uran betrieben werden (die Uranvorkommen der Erde reichen je nach Preisen, was die Wirtschaftlichkeit des Abbaus bestimmt, nur für 20-50 weitere Jahre), einige können sogar den Müll der konventionellen Atomkraftwerke als Brennstoff nutzen, sie haben kein Risiko eines Supergaus, und die Abfallprodukte wären nur für 500 Jahre zu lagern.

Allerdings lohnt es sich, auch hier die andere Seite der Medaille anzuschauen. Eine serielle Produktion lohnt sich erst ab ca. 3.000 gebauten Reaktoren. In China soll noch dieses Jahr ein erster Thoriumreaktor getestet werden, eine Serienproduktion ist ab 2030 geplant(1). Auch Bill Gates‘ Terrapower will Mitte der 20er Jahre einen Prototypen betriebsbereit haben und bis 2050 hunderte solcher Reaktoren auf der Welt sehen. Es wird also mindestens Jahrzehnte dauern, bis eine ausreichende Anzahl dieser Reaktoren am Netz wäre. Die Baukosten fallen aufgrund der limitierten Größe der Reaktoren relativ stärker ins Gewicht (bevor eventuelle, noch nachzuweisende, Skaleneffekte bei industrieller Fertigung zum Tragen kommen). Planungs-, Entwicklungs-, Genehmigungs- und Bauzeiten sind signifikant, insbesondere bei einer großen Anzahl von Reaktorprojekten, und auch hier besteht wie bei konventionellen Reaktoren das Risiko, dass ursprüngliche Planungshorizonte um ein Vielfaches überschritten werden. Die Zahl der Störfälle wird aufgrund der hohen benötigten Zahl solcher Reaktoren ebenfalls höher ausfallen, was aufgrund einer starken Dezentralisierung (also auch Bau in abgelegenen Gebieten) ein Sicherheitsrisiko darstellt. Aufgrund der großen Zahl der Reaktoren multiplizieren sich auch sicherheitstechnische Risiken (Anlagenschutz und Proliferation, also die Gefahr der Nutzung für militärische oder terroristische Zwecke). Schließlich stellt sich auch hier die Endlagerfrage von Atommüll aus tausenden von Anlagen, wenn auch „nur“ für 300-500 Jahre.

Studien wie die des Bundes (BASE)(2) oder des Ökoinstituts(3) kommen zum gleichen Ergebnis wie Harald Lesch, der es in unnachahmlicher Weise zusammenfasst: zu teuer, zu unsicher, zu spät(4)(5). Wir brauchen sie nicht für die Transformation unseres Energiesystems.

Fortsetzung in Teil 3: „Die Kernfusion kommt!“

Quellen/ zur Vertiefung:

(1) Stern – Sicher, klein und billig – China baut den ersten Thorium-Reaktor

(2) BASE – Small Modular Reactors – Was ist von den neuen Reaktorkonzepten zu erwarten?

(3) Ökoinstitut – Studie klärt, was von Small Modular Reactors (SMR) zu erwarten ist

(4) Harald Lesch prägnant bei Lanz (2min)

(5) Harald Lesch über Mini-Kernkraftwerke (19min)

Foto: UK Nuclear SMR Consortium / Youtube