In Deutschland ist die Kunstfreiheit ein Grundrecht. Also darf auch ein Kabarettist wie Dieter Nuhr in seinem Jahresrückblick 2022 all das sagen, was ihm auf dem Herzen liegt.
Es gab eine Zeit, da fand ich Dieter Nuhr wirklich gut, habe ihn auch ein paar Mal live erlebt. Aber für meinen Geschmack hat sich die letzten Jahre eine Patina aus Zynismus und Verbitterung über sein Programm gelegt, die es für mich mittlerweile unverdaulich macht. Zwar macht er sich naturgemäß über viele lustig: Coronaleugner, Nazis, grüne Spitzenpolitiker, Klimaaktivisten, und sonstige „Spießer“. Comedy und Kabarett leben von Überspitzung und Pointen, daher sollte man das nicht zu ernst nehmen. Gleichzeitig hilft es einordnen, wo Dieter Nuhr persönlich steht. Bei seinem Auftritt auf der von der Denkfabrik R21 organisierten Veranstaltung „Wokes Deutschland – Identitätspolitik als Bedrohung unserer Freiheit?“ machte er das sehr deutlich: eine „woke“ („wache“/ „erwachte“), machtvolle kleine Elite versuche Deutschland zu steuern, habe den gesamten Bildungs- und Medienbereich in ihrer Hand, und agiere massiv antidemokratisch.
Nuhr hat also ein Problem mit der wahrgenommenen Einschränkung seiner Freiheit und scheint Frauenquoten, Gendern und Klimahysterie gaga zu finden. Vor diesem Hintergrund kann man nun die Themen seines Jahresrückblicks besser einordnen. Problematisch wird es dann, wenn für das Publikum nicht ersichtlich ist, wann er überspitzt und pointiert, und wann er im Brustton der Überzeugung Blödsinn Falsches als Wahrheit darstellt.
Nuhr hat das Recht auf seine eigene Meinung. Ein Recht auf eine eigene Wahrheit jedoch, das ist eine ganz andere Sache. Schauen wir uns daher doch einfach einmal einige seiner Aussagen aus dem Jahresrückblick genauer an und kommentieren sie – hier und da satirisch überspitzt. Kunstfreiheit halt.
1) Ein herrlicher Sommer
„Es war nicht alles schlecht. Der Sommer herrlich, wolkenlos, sonnig, oder wie der Deutsche in seiner unnachahmlich positiven Art sagt: Dürre. Viel zu trocken, Hautkrebswetter. Den Birken ging es schlecht, die Fichten gingen ein, der Wald stirbt, die Welt geht unter. Also alles normal: deutsche Verhältnisse.“
Richtig. Der Sommer 2022 war in Deutschland der sonnigste und viertwärmste seit Messbeginn. Im Mittel war er fast 3 Grad wärmer als die international gültige Referenzperiode 1961-1990.
Gleichzeitig war er extrem trocken. Tatsächlich erlebte Europa diesen Sommer die wohl schwerste Dürre seit 500 Jahren. Als die Flüsse von Loire bis Donau und Rhein austrockneten, erschloss sich das sogar den interessierten Laien.
Nicht einmal die Regenperiode im Herbst hat dem Boden Erholung verschafft. Noch immer befindet er sich in weiten Teilen Deutschlands im Zustand einer schweren bis außergewöhnlichen Dürre.
Und dem Wald geht es tatsächlich sehr schlecht. Wie der Waldmonitor 2020 aufzeigte, haben nur noch 20% der Wälder in Deutschland intakte Kronen. Dem Wald geht es tatsächlich so schlecht wie noch nie zuvor.
Normal ist das alles bei weitem nicht.
2) Die Letzte Generation mit großen Plänen
„Mir ist auch bekannt, dass sich die Welt in bedenklichem Zustand befindet. Aber ich würde sie gern nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihres baldigen Untergangs betrachten. Zumal sie nicht untergehen wird, zumindest nicht bald. Forscher haben herausgefunden, dass es noch etwa 5 Milliarden Jahre dauern wird. Das heißt, die letzte Generation hat offenbar vor, sehr alt zu werden.“
Schöne Pointe. So oder so hat Dieter Nuhr recht, der Planet hat so einiges erlebt, er wird auch weiterhin existieren. Aber ob wir ihn in einem Zustand erhalten, um auf diesem Planeten weiterhin leben zu können oder zu wollen, das ist eine ganz andere Frage. Anstrengungen in diese Richtung zu unternehmen, genau das fordert die Letzte Generation ein. Dieter Nuhr ist ja ein schlaues Kerlchen. Es wird ihm nicht entgangen sein, dass die Letzte Generation nicht andeuten möchte, tatsächlich die letzten Überlebenden der Menschheit zu sein. Ihr Name drückt vielmehr aus, dass wir die letzte Generation sind, die der Klimakrise effektiv entgegenwirken und einen Klimakollaps vermeiden kann. Vielleicht wurden sie inspiriert von US Präsident Barack Obama, der diesen Begriff bereits 2014 verwendete. Smart.
3) Die Letzte Generation soll sich mal lockermachen
„Ich meine, dass die sich nicht fortpflanzen, wundert mich nicht. Wir haben in dem Alter rumgemacht, die kleben sich fest. Was soll das?“
Sehen wir mal davon ab, dass sich kein Klimaaktivist 24/7 auf der Straße festklebt oder freiwillig in Präventivhaft sitzt… es könnte ja einfach sein, dass diese Generation wenig positive Perspektiven in ihrer Zukunft sieht. Laut einer großen internationalen Studie aus dem Jahr 2021 empfinden drei Viertel der jungen Teilnehmenden die Zukunft als beängstigend. Fast 40% von ihnen stehen angesichts der Klimakrise dem Gedanken skeptisch gegenüber, eigenen Kinder bekommen zu wollen. Vielleicht daher das Zögern, so „rumzumachen“ wie ein jugendlicher Dieter Nuhr.
Gleichzeitig fühlen sich zwei Drittel der jungen Menschen beim Thema Klimakrise von ihren Regierungen im Stich gelassen. Es könnte erklären, warum sie nach anderen Wegen suchen, dieses Problem zu adressieren.
Es verwundert etwas, warum die Renitenz der Letzten Generation Dieter Nuhr so völlig gegen den Strich geht. Im selben Programm fand er die „Renitenz gegen das grassierende Spießertum herrlich“, als der Gassenhauer Layla trotz vermeintlichen Verbots heiter und laut mitgesungen wurde. Vielleicht fand Dieter Nuhr die Forderung der Letzten Generation einfach zu spießig, gesetzlich verankerten Klimaschutz endlich umzusetzen.
4) Mehr Kernkraftwerke = weniger Probleme
„Atomkraft raus, dann wieder rein. 3 Kraftwerke für 4 Monate, dann 2 Kraftwerke für 3 Monate. … Man hätte auch 6 Kraftwerke für 3 Jahre nehmen können, dann hätten wir jetzt weniger Probleme, und es wäre völlig wurscht gewesen. Weil wir doch eh wieder Atomstrom importieren werden.“
Erstaunlich, wie die Diskussion um Atomkraftwerke immer wieder entfacht wird, obwohl sie nur einen geringen einstelligen Prozentanteil der Stromerzeugung und einen noch geringeren Anteil des Primärenergieverbrauchs Deutschlands ausmachen. Und das in einer Zeit, wo die Stromkrise Europas maßgeblich von still stehenden französischen Atomkraftwerken verstärkt wird.
All die Argumente dagegen hier wieder aufzulisten ist mir zu mühsam, daher lass ich es Professor Quaschning prägnant zusammenfassen.
Deutschland ist trotz der Abschaltung von 3 Atomkraftwerken Ende 2021 nach wie vor Nettostromexporteur. Dieses Jahr exportierten wir 71 Terrawattstunden Strom, während wir gleichzeitig 45 Terrawattstunden Strom importierten. Wenn uns ab nächstem Jahr die letzten 3 Atomkraftwerke also fehlen, die zusammen rund 35 Terrawattstunden Strom produzieren, dann sind wir auch nur leicht im Minus.
Der von uns importierte Strom, der 2020 noch zu 23% aus ausländischen Atomkraftwerken stammte, besteht im heutigen Strommix nur noch zu 9% aus Atomstrom. Das liegt größtenteils daran, dass der Import von Strom aus Frankreich fast völlig zusammengebrochen ist.
Läuft nicht so mit der Atomkraft in Frankreich.
5) Fracking und Drecksstrom
„Und bei uns ist Fracking verboten, wir kaufen Frackinggas aus den USA und schalten modernste Kohlekraftwerke ab, die kaum noch Abgase machen, und kaufen stattdessen Drecksstrom aus dem Ausland ein.“
In dem einen Satz steckt so viel drin, da weiß man kaum, wo man anfangen soll.
Fracking ist in Deutschland verboten: Korrekt. Wer würde gern Teile des Wattenmeers für die Suche nach Frackinggas opfern? Wer hätte gern ein Frackinggasfeld vor der Haustür, wenn schon Windräder bekämpft werden? Aber ja, Deutschlands Erdgasvorkommen könnten unseren Gasbedarf theoretisch einige Jahre decken. Anträge für Forschungsprojekte, Probebohrungen, 3 Jahre bis zur Förderung, 10 Jahre für relevante Fördermengen, die immer noch nur einen Bruchteil des deutschen Gasbedarfs abdecken würden. Hohe Kosten, geringer Ertrag, der viel zu spät fließt, da wir bis 2045 die Klimaneutralität anstreben. Scheint nicht viel Sinn zu machen.
Frackinggas aus Amerika: Korrekt, da wir es verpasst haben, uns von Gasimporten weniger abhängig zu machen, und da russisches Gas keine Option mehr ist, brauchen wir kurzfristig auch LNG Gas aus den USA.
Modernste Kohlekraftwerke, die kaum noch Abgase machen: Ein modernes Kohlekraftwerk wie Datteln 4 verursacht ca. 780g CO2 pro Kilowattstunde produzierten Stroms. Das sind 13% Einsparung an Emissionen verglichen mit älteren Kohlekraftwerken. Und dabei ist noch nicht einmal einberechnet, dass die Kohle ja mittlerweile fast ausschließlich im Ausland gefördert werden und nach Deutschland transportiert werden muss, was eine Menge weiterer Emissionen verursacht. Top Effizienz!
Viel beeindruckender ist, dass Erneuerbare Energien in voller Lebenszyklusbetrachtung nur einen winzigen Bruchteil der Emissionen modernster Kohlekraftwerke verursachen: Photovoltaik rund ein Dreißigstel, Windenergie ein Hundertstel. Die heute noch aktiven 130 deutschen Kohlekraftwerke verursachen zusammen rund ein Fünftel der deutschen Emissionen. Wie wäre es, wir ersetzen die so schnell wie möglich durch Wind- und Solaranlagen?
Wir kaufen Drecksstrom aus dem Ausland ein: Wir hatten ja vorhin schon geklärt, wir sind Nettostromexporteur. Und der Stromanteil den wir importieren ist nicht emissionsintensiver als unser eigener Strom.
6) Nuhrs Beef mit dem Wind
„Früher war der Deutsche immer so vernünftig. Heute wagen wir auch mal was Verrücktes und sagen: Wir machen Strom aus Wind. Auch wenn wir viel zu wenig Windräder haben, und übrigens auch zu wenig Wind, und keine Stromtrassen, und keine Stromspeicher, und es hinten und vorne nicht reicht, wir machen es einfach trotzdem, weil wir einfach so verrückt sind.“
Genauso verrückt war auch Kennedy, als er 1962 deklarierte: „Wir haben uns entschlossen, noch in diesem Jahrzehnt zum Mond zu fliegen – nicht, weil es leicht ist, sondern weil es schwer ist.“
Hat er da auch als Antwort erhalten: „Ist ja verrückt, wir haben keine ausreichend starken Raketen, keine Computer mit adäquater Rechenleistung, keinen ausreichenden Strahlenschutz für die Astronauten, keine Möglichkeit eine Raumkapsel wieder vom Mond zurückzubringen, undsoweiterundsofort!“
Am Anfang steht die Vision. Und die Vision eines Energiesystems, das auf Erneuerbaren Energien basiert, ist viel weniger ambitioniert als die Reise zum Mond in den 1960er Jahren.
Dass es nicht genug Wind gibt, ist eins der abstrusesten Argumente Nuhrs.
Ja, heute gibt es noch nicht genug Windräder. Genau dafür existieren die Ausbaupläne der Bundesregierung sowie die Forderung an die Bundesländer, dafür 2% der Landesfläche zur Verfügung zu stellen.
Kleine Anekdote am Rande: in den letzten Wochen und Monaten hat die Windkraft gezeigt, was sie auch heute schon leisten kann.
Natürlich braucht es auch Stromtrassen und Stromspeicher. All das gehört zum auf Erneuerbaren Energien basierenden Stromsystem der Zukunft, mit dem Deutschland seine Technologieführerschaft demonstrieren kann.
7) Nuhrs Beef mit Elektroautos
„Wir wollen Millionen Elektroautos auf die Straße bringen, für die uns die Batterien fehlen und die Ladesäulen und der Strom und die Autos.“
Nuhrs Argumentation folgt einem ähnlichen Muster wie bei der Windkraft, vermischt ein Zukunftsziel mit dem Status Quo heute. Als würde er sagen: „Ich will nächstes Jahr sportlich fit werden und 10 Kilo abnehmen. Aber das macht alles keinen Sinn, weil ich heute Braten und Plätzchen gegessen und drei Bier getrunken habe, noch nicht im Fitnessstudio angemeldet bin, und noch keinen Proteinshake eingekauft habe.“
Daher nur in aller Kürze: Die 15 Millionen elektrischen Autos, die wir bis 2030 auf der Straße haben wollen, würden nur 5% der deutschen Stromproduktion benötigen.
Der Verkauf elektrischer Autos verdoppelte sich in 2021 – es scheint zu gehen. Und dieses Jahr verdoppelte er sich in Deutschland gleich noch einmal.
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur hängt derzeit etwas hinterher, aber wir als Land der Ingenieure und Innovation schaffen das sicher auch noch.
8) Nuhrs Beef mit Wärmepumpen
„Wir wollen ja auch schon in einigen Jahren nur noch mit Wärmepumpen heizen, und jeder weiß, dass das nicht gehen wird, weil uns auch dafür der Strom fehlt, und die Wärmepumpen, und die Handwerker, die sie einbauen können. Aber wir machen es einfach, das ist deutscher Idealismus.“
Bis 2030 wollen wir in Deutschland 6 Millionen Wärmepumpen verbaut haben. Bedeutet, wir heizen auch dann nicht „nur noch“ mit Wärmepumpen. Die 6 Millionen sind allerdings absolut machbar. Von den 19 Millionen deutschen Häusern sind 16 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser. Eine Million Wärmepumpen sind bereits verbaut, fehlen also noch 5 Millionen. Basierend auf dem Sanierungsstandard und der Energieeffizienz bieten sich auch heute schon 40% der deutschen Häuser für die Wärmepumpe an. Dass die Wärmepumpe auch im Bestand funktioniert ist erwiesen. Passt also.
Dass wir uns dem Fachkräftemangel stellen müssen, dafür braucht keine Erinnerung durch Dieter Nuhr. Allerdings wurden letztes Jahr in Deutschland 929,000 Heizungen verbaut, größtenteils Gasheizungen. Dass wir dann in ein paar Jahren 500,000 Wärmepumpen pro Jahr verbauen klingt nicht abwegig.
Dass die Wärmepumpe Strom benötigt ist klar, aber dabei ist sie ein Effizienzwunder: sie benötigt nur ein Drittel bis ein Viertel des Energiebedarfs einer konventionellen Heizung. Wie das geht, erklärt Professor Quaschning hier.
Und wo der Strom dafür herkommen soll, das liefert er auch gleich noch mit.
Insgesamt also ist der Wärmepumpenhochlauf ein ambitioniertes aber erreichbares Ziel. Ich weiß aus erster Hand, wie fokussiert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima daran mit Verbänden, Herstellern und Installationsbetrieben arbeitet.
9) Sinnloser Klimaprotest in Deutschland
„Ansonsten machen die Proteste bei uns doch überhaupt keinen Sinn. Der Klimagasausstoß in Deutschland hat sich seit 1990 um etwa 40% verringert, während er im Rest der Welt kräftig ansteigt. Vielleicht sollten sich unsere klebrigen Freunde mal in China festpappen, da werden bis 2035 216 neue Flughäfen gebaut.“
Das ist Whataboutism – eine Vernebelungstaktik, um von einem kritischen Argument mit einem anderen Argument abzulenken. Beim Thema Klima beginnen diese Argumente oft mit „Aber in China…“.
Bleiben wir doch einfach mal bei uns. Ja, wir haben seit 1990 unsere Emissionen um 40% reduziert, vorrangig im Energie- und Industriesektor. Da steckt allerdings auch drin, dass die emissionsintensiven Industriebetriebe und Kraftwerke der DDR weitestgehend über die Wupper gingen. Allzu stolz sollten wir auf die bisherigen Emissionsreduktionen nicht sein, insbesondere da sich Sektoren wie der Verkehr oder die Landwirtschaft seit 1990 kaum bewegt haben. Dass mit unserem deutschen Anteil von 2% an den globalen Emissionen genug getan hätten, gehört zu den Lieblingsargumenten der Leugner und Verzögerer.
Wenn man dann doch auf China schaut, dann lohnt sich die Einsicht, dass viele westliche Staaten ihre emissionsintensive Produktion nach China verlagert haben. Wenn wir das fair zurechnen würden, wären unsere Emissionen in Deutschland 15% höher, die Chinas um fast 10% geringer.
10) Mit dem Klimawandel leben lernen
„Der Klimawandel kommt, ist ja schon da teilweise. Seine Verhinderung liegt nicht in unserer Hand, muss man auch leider sagen. So leid mir das tut im Übrigen. Aber die Welt wird nicht untergehen. Es wird Probleme geben, gravierende Probleme. Und die werden wir lösen müssen. Deshalb sollten wir langsam aber sicher nicht nur darüber nachdenken, wie man den Klimawandel verhindern kann, sondern auch darüber, wie wir mit ihm leben werden. … Das wird das drängendste Problem der nächsten Jahre.“
Zum Abschluss ein weiteres Lieblingsargument der Leugner und Verzögerer: „Emissionsreduktion bringt nichts. Wir müssen uns anpassen.“
Und es stimmt: natürlich müssen wir uns an die Folgen der Klimaerhitzung auch hier in Deutschland anpassen. Wir müssen Städte begrünen, Klimaanlagen in Krankenhäuser und Pflegeheime einbauen, Städte und Kanalisation resistenter für Extremniederschläge machen, neue Nutz- und Nahrungspflanzen sowie Baumarten in der Land- und Forstwirtschaft einsetzen, und so vieles mehr. Anpassung ist wichtig, aber es ist nicht das drängendste Problem der nächsten Jahre. Anpassung allein reicht nicht aus.
Bei der Klimaerhitzung zählt jedes Zehntelgrad, das wir verhindern können. Auch wenn wir die 1,5 Grad aus dem Pariser Klimaabkommen nicht halten könnten, wären 2 Grad Erhitzung deutlich weniger katastrophal als die 2,7 Grad, auf die wir derzeit zumarschieren.
Wenn wir weiter so emittieren wie bisher, wären bis zum Jahr 2100 drei Viertel der Weltbevölkerung tödlichen Hitzewellen ausgesetzt. Daran kann sich niemand anpassen. Große Gebiete rund um den Äquator wären praktisch nicht mehr bewohnbar.
Auch gäbe es noch viel mehr extreme Dürren, Waldbrände, Extremwetterereignisse, eine weitere Beschleunigung des Artensterbens, kollabierende marine Ökosysteme und Fischbestände, ein dramatischer Einbruch der Landwirtschaft in großen Gebieten weltweit, und das abschmelzende grönländische Eisschild würde den Meeresspiegel bis zu 7 Meter ansteigen lassen.
Wie würden sich die Menschen im globalen Süden daran anpassen?
Wie würden wir uns selbst hier in Deutschland daran anpassen?
Bauen wir dann zehn Meter hohe Deiche an der gesamten Nord- und Ostseeküste?
Wie ernähren wir uns? Wir sind schon heute Nettoimporteur von Lebensmitteln. Was passiert wenn der Importstrom von Nahrungsmitteln aus dem Ausland versiegt?
Was machen wir mit den Klimaflüchtlingen? Aus Syrien flohen in den letzten Jahren insgesamt etwa 6 Millionen Menschen, aus der Ukraine dieses Jahr ungefähr 8 Millionen. Was machen wir, wenn dutzende oder sogar hunderte Millionen Menschen in Europa ankommen?
Bauen wir dann eine Mauer rund um Deutschland, um sie aus dem Land zu halten?
Erleben wir dann verstärkt wieder nationalistische Tendenzen? Leben wir dann noch in einer Demokratie? Was passiert dann mit unserer Freiheit? Was passiert dann mit unserem Wohlstand?
Anpassung ist wichtig.
Vermeidung ist wichtiger.
Dieter Nuhr ist Kabarettist. Differenzierte und nuancierte Aussagen muss man in einem Comedyprogramm nicht erwarten. Dafür sollte man diese Aussagen auch nicht für bare Münze nehmen. Und hier und da empfiehlt sich sogar die Erinnerung an Dieter Nuhrs berühmtestes Zitat.
Foto: „Nuhr 2022 – Der Jahresrückblick„
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