Ein Blog zur Klimakrise

CO2 Fußabdruck oder Klimaschatten?

Letzte Woche habe ich über den eigenen Fußabdruck geschrieben und die Hebel, die jeder von uns zur Verfügung hat, um seine eigenen Emissionen zu kennen und zu reduzieren. Und das fühlt sich gut an! Ich habe etwas verändert, ich habe beigetragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen! Wir haben unser Schicksal selbst in der Hand!

Aber warum ist es eigentlich so, dass das Konzept des CO2-Fußabdrucks der eigenen Emissionen ausgerechnet von einem Konzern der fossilen Industrie erfunden wurde, von BP? Das Unternehmen brachte das Konzept des CO2-Rechners 2004 bekannt, unterstützt von einer großen Werbekampagne. Es handelte sich um nichts anderes als um ein geschicktes Ablenkungsmanöver der fossilen Industrie. Nicht sie ist das Problem, sondern das Verhalten der Konsumierenden. Die Parallelen zur Tabak- und Waffenlobby sind deutlich: „Nicht die Zigarette ist das Problem, sondern die Verantwortung liegt bei Nutzenden im verantwortungsvollen Umgang mit ihr.“, „Nicht die Waffen sind das Problem, sondern das Problem psychischer Krankheiten Einzelner.“

BP 2004

Der Versuch, die Verantwortung auf die Konsumierenden (ich habe bewusst nicht BürgerInnen geschrieben) ist smart und perfide: am liebsten wäre es der fossilen Lobby, wir würden uns rein als Konsumierende sehen, allein auf unsere Kaufentscheidungen konzentrieren (und halt immer weiter kaufen), und wären damit beschäftigt, noch die letzte Glühbirne durch eine LED Leuchte zu ersetzen und einen großen Umweg zum Unverpackt-Supermarkt in Kauf zu nehmen. Wenn wir so beschäftigt wären, hätten wir keine Zeit mehr, uns als BürgerInnen zu engagieren, auf Demos von Fridays for Future zu gehen, in Kommunen und Städten in der Transformation zu unterstützen, uns politisch zu engagieren.

Ja, ein bewusstes persönliches Handeln ist wichtig und hat ein signifikantes Potential. Denn wir können individuell entscheiden, was wir essen, was wir kaufen, wie wir unseren Strom beziehen, oder ob wir mit dem Flieger in den Urlaub fliegen, aber es gibt viele große Emissionstreiber, die wir nicht direkt beeinflussen können. Wir verursachen heute in Deutschland pro Kopf Emissionen von rund 10 Tonnen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssten wir diese Zahl auf 1,5 bis 2 Tonnen reduzieren, und das schaffen wir mit keinem Ökostrom, Elektroauto und nachhaltig produziertem Kleidungsstück.

Die individuelle Perspektive allein reicht jedoch nicht aus. Der überragende Anteil der Emissionen kommen aus dem Energie- und Industriesektor sowie aus der Landwirtschaft. Wir können individuell nicht entscheiden, welcher Energieträger Subventionen erhält, wie das deutsche Stromnetz reguliert wird, wie die chemische oder Stahlindustrie agiert, ob eine Straße, ein Flughafen oder neue Bahnstrecken gebaut werden, ob Städte Fahrradinfrastruktur schaffen und in das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel investieren, oder welche Einkaufspolitik staatliche oder kommunale Behörden verfolgen.

Als KonsumentIn haben wir praktisch keinen Einfluss. Als BürgerIn allerdings schon.

Von daher gibt es auch das Konzept des ökologischen Handabdrucks, der die direkten und indirekten Möglichkeiten der Einflussnahme zusammenbringt. Kürzlich kam allerdings ein weiteres Konzept auf, das des Klimaschattens, das mich persönlich mehr angesprochen hat.

Stellen wir uns zwei Personen vor. Person 1 fliegt oft aus beruflichen Gründen. Person 2 lebt  in einer Stadt, hat kein Auto, läuft zur Fuß zur Arbeit. Wer hat den größeren CO2 Fußabdruck? Aber wenn wir erfahren, dass Person 1 eine Klimaaktivistin ist, die Konferenzen, Symposien und Veranstaltungen von Davos über New York oder Glasgow besucht und für den Klimaschutz wirbt, Person 2 in einer Agentur arbeitet, die Werbung für Ölkonzerne kreiert, ist der CO2 Fußabdruck jetzt noch aussagekräftig?

Das Konzept des Klimaschattens erweitert die Perspektive. Es subsummiert drei individuelle Einflussbereiche: unseren persönlichen Konsum (die Konsumentscheidungen unseres persönlichen Lebensstils), die persönlichen Entscheidungen (z.B. bei welcher Firma wir arbeiten und welche Arbeit wir für diese Firma tun, für was wir spenden, wie wir unser Geld anlegen…), sowie die Aufmerksamkeit (Wie investieren wir unsere Zeit? Wieviel Aufmerksamkeit widmen wir der ökologischen, sozialen und Klimakrise? Wie viele Stunden widmen wir dem Klimaschutz? Wie vergleicht sich diese Zeit mit der Zeit, die wir auf Netflix und Instagram verbringen?). All diese Entscheidungen bestimmen unseren Einfluss, der weit über unseren Einfluss als KonsumentIn hinausgeht. Fridays For Future hat gezeigt, wie schnell und eindrucksvoll eine Bewegung Veränderungsprozesse in der Gesellschaft, der Politik, und in der Privatwirtschaft in Gang setzen kann.

So vergrößern wir unseren Einfluss:

Weg von der individuellen Perspektive, hin zur kollektiven.

Weg vom Fußabdruck, hin zum Klimaschatten.

Weg vom Konsumierenden, hin zur Präsenz als BürgerIn.

Quellen/ zur Vertiefung:

(1) Überraschung! Der Begriff „Carbon Footprint“ wurde von Big Oil geprägt, um Sie für den Klimawandel verantwortlich zu machen

(2) Deutsche Welle: Big Oil liebt Ihren Kohlenstoff-Fußabdruck (8min)

(3) Klimafakten.de: „Handabdruck“ statt „Fußabdruck“ – ein Konzept für mehr Optimismus im Klimaschutz?

(4) MIC: Forget your carbon footprint, let’s talk about your climate shadow (auf Englisch)

Foto: Ehimetalor Akhere Unuabona auf Unsplash

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„Klimaschutz ist viel zu teuer!“

  1. Rainer Kirmse , Altenburg

    Weniger ist mehr,
    nicht nur im Verkehr
    und beim Verzehr.😉

    WACHSTUMSWAHN

    Man produziert und produziert,
    plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Plastikflut und Wegwerftrend,
    man konsumiert permanent.
    Nur unser ständiges Kaufen
    hält das System am Laufen.
    Unser westlicher Lebensstil
    taugt nicht als Menschheitsziel.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    im Einklang mit der Natur leben.

    Zu viele Buchen und Eichen
    mussten schon der Kohle weichen.
    Retten wir den herrlichen Wald,
    bewahren die Artenvielfalt.
    Kämpfen wir für Mutter Erde,
    dass sie nicht zur Wüste werde.

    Wir alle stehen in der Pflicht,
    maßvoll leben ist kein Verzicht.
    Teilen und Second Hand der Trend,
    Repair vor Neukauf konsequent.
    Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    nehmen wir uns die Freiheit.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

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