„Sagenhafte einskommagarnichts Prozent CO2 Emissionen werden durch das Heizdiktat der Ampel eingespart. Das bringt nichts fürs Klima.“

„Tempolimit bringt nichts, das spart nur nullkommasuperwenig Prozent Emissionen. Da gibt es größere Hebel für den Klimaschutz.“

„Wir wollen andere Wege statt Ideologie beim Klimaschutz beschreiten“, kein „ökonomisch unvernünftiges und ineffizientes Heizungsgesetz“.

Es ist eine sehr nachvollziehbare und sinnvolle Idee, die effektivsten und die kostengünstigsten Maßnahmen für den Klimaschutz zu identifizieren. Genau diese Maßnahmen sollten Priorität haben. Unwissentlich oder absichtlich bleibt unklar, wie viele Maßnehmen es eigentlich in welchem Umfang benötigt, um Klimaneutralität zu erreichen. Der kürzlich veröffentlichte Synthesebericht des Weltklimarats IPCC listet einen ganzen Blumenstrauß an Optionen zur Emissionsreduktion auf.

Quelle: IPCC

Das Problem ist, wir brauchen sie alle.

Nur in ihrer Summe sind sie ausreichend wirksam.

Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Das ist keine Ideologie, das ist Gesetz. Wie wir dahinkommen, das steht dort aber nicht drin. Damit hat sich eine Vielzahl von Studien beschäftigt, zum Beispiel die gemeinnützige Klimaschutzorganisation GermanZero, die Denkfabrik Agora Energiewende, sowie die der Klimaideologie unverdächtige Beratungsgesellschaft McKinsey. Das Erstaunliche ist, sie kommen alle zu sehr ähnlichen Ergebnissen.

Um unser Land klimaneutral zu machen, braucht es:

Einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien (Wind on-/off-shore, Photovoltaik)

UND einen schnellen Ausstieg aus den fossilen Energien (Kohle bis 2030, Öl und Gas bis 2045)(1),

UND den Aufbau einer grünen Wasserstoffinfrastruktur(2),

UND den Ausbau und die Flexibilisierung des Stromnetzes(3),

UND die Dekarbonisierung der Industrie (Metallerzeugung, Zement, chemische Industrie, Papier, Mineralölverarbeitung,…),

UND den Ausbau der grünen Wasserstoffproduktion, Batterieproduktion, Ladeinfrastruktur,

UND den Aufbau einer effizienten Kreislaufwirtschaft zur Wiederverwendung von Materialien(4),

UND Carbon Capture and Storage (CO2-Abscheidung und -Speicherung) für unvermeidbare Prozessemissionen in der Industrie, zum Beispiel bei der Herstellung von Zement,

UND emissionsfreie Produktion und Transport von Konsumgütern mit nachhaltigen Materialien und optimierten Verpackungen,

UND ein bewussteres Konsumverhalten(5),

UND das Ende der Erstzulassung von PKW mit Verbrennermotoren in den nächsten 10 Jahren,

UND einen massiven Hochlauf elektrischer PKW(6),

UND die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene,

UND einen fast vollständig emissionsfreien Güterverkehr auf der Straße bis 2045(7),

UND die Luft- und den Seeverkehr auf elektrisch erzeugten Brennstoffen bis 2045(8), bis dahin Nachfragereduktion durch höhere Preise(9),

UND den Ausbau des ÖPNV und des Rad-, Fuß- und Schienenverkehrs, auch im ländlichen Raum,

UND die Erweiterung des Angebots an Smart und Shared Mobility Lösungen,

UND aufgrund der gerade genannten Maßnahmen eine Reduktion der PKW Flotte(10),

UND durch all diese Maßnahmen 100% emissionsfreie Mobilität bis 2045,

UND mindestens eine Verdopplung der energetischen Sanierungsrate von Gebäuden(11),

UND den Ausstieg aus fossil betriebenen Heizungen bis 2045,

UND die massive Skalierung von Wärmepumpen(12),

UND den Ausbau und die Dekarbonisierung der (Fern)Wärmenetze(13),

UND einen dekarbonisierten Betrieb der restlichen Gebäude (Biogas, Solarthermie, in Einzelfällen Wasserstoff),

UND mehr Nutzung bestehender Gebäude statt Neubau,

UND einen klimaneutralen, kreisslauffähigen Neubau mit organischen Baustoffen und recycelten Baumaterialien,

UND ein verändertes Produktions- und Konsumverhalten bei Nahrungsmitteln(14),

UND die Reduktion des Düngemitteleinsatzes,

UND die Reduktion des Tierbestands(15),

UND die Wiedervernässung von Mooren,

UND negative Emissionen über BECCS (Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung) und DACCS (Direct Air Carbon Capture and Storage, also direkte Aufnahme des CO2 aus der Luft)(16),

UND internationale Kooperation im Klimaschutz(17).

Für das Erreichen der Klimaneutralität braucht es ALLE diese Maßnahmen, jede einzelne davon, und zwar sehr schnell.

Wenn also jemand auf eine dieser Maßnahmen mit „Ideologie!“, „Sinnlos!“ oder „Zu teuer!“ reagiert, ist das ok. Aber nur dann, wenn stattdessen andere, konstruktive, wirksame und kosteneffiziente Maßnahmen benannt werden, die nicht auf dieser Liste stehen. Alles andere ist Verhinderungs- und Verzögerungstaktik oder Ignoranz angesichts der vor uns liegenden Herausforderungen.

Foto: Project Drawdown – Roadmap von wissenschaftlich fundierten Klimalösungen zur globalen Klimaneutralität.

Fußnoten:

(1) Mit Faktor 3x der bisherigen Ausbaugeschwindigkeit: ca. 255-350 GW (Gigawatt) Kapazität bis 2030, 400-650 GW bis 2045; alles mit beschleunigten Genehmigungsverfahren und flankierender Finanzierung (Finanzierung, Förderung, Forschung).

(2) Für eine Wasserstoffproduktion von 20 TWh (Terrawattstunden) 2030 und fast 100 TWh 2045.

(3) Eine Erweiterung um 25% (12.700km).

(4) Materialien wie Aluminium, Kunststoffe, Stahl, oder Textilfasern durch chemisches Recycling.

(5) Ja, das heißt weniger Produkte kaufen, in höherer Qualität, und diese länger nutzen.

(6) Bis 2030 sind 75-80% der Neuzulassungen elektrisch und es gibt 14 Millionen elektrische PKW auf deutschen Straßen.

(7) Batterieelektrisch, Oberleitungen, Brennstoffzelle.

(8) Zum Beispiel eFuels. Wenn danach noch eFuels übrig wären, könnte man damit auch die restlichen noch existierenden Verbrenner im Bestand (z.B. Oldtimer) betreiben. Wenn.

(9) Das ist der zumeist verschwiegene Effekt einer wirksamen CO2-Bepreisung.

(10) Eine Reduktion von heute 49 Millionen PKW auf circa 35-36 Millionen bis 2045.

(11) Eine Erhöhung der Sanierungsrate von heute circa 1% auf zwischen 2- 4%.

(12) 6 Millionen Wärmepumpen bis 2030, 14 Millionen bis 2045

(13) Verdopplung des Fernwärmeanteils auf 20%

(14) Mehr Regionalität, Ernährungsumstellung hin zu weniger tierischen Produkten (ca. 20% Anteil von Fleisch- und Milchalternativen bis 2045), Reduktion von Nahrungsmittelverschwendung; Emissionshandel für tierische Produkte, Neuausrichtung von EU Agrarsubventionen.

(15) Circa ein Drittel weniger Milchkühe, Rinder und Schweine, 7% weniger Geflügel; Flächenbindung, d.h. begrenzter Tierbestand pro Fläche

(16) Das ist kein Allheilmittel. Der angepeilte ambitionierte Ausbau dieser Technologien soll bis zum Jahr 2045 ca. 63 Millionen Tonnen CO2e umfassen, also ungefähr 8-9% der heutigen Emissionen Deutschlands.

(17) Internationale Klimaschutzabkommen, bilaterale Partnerschaften, Transparenz von Lieferketten, Etablierung globaler Emissionsmärkte (sektorenübergreifend, Marktbepreisung, Deckelung und Reduktion der Zertifikate, soziale Abfederung durch Transferleistungen, wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen), internationale Klimafinanzierung, Standards für die Emissionskompensationen.