Das Klima macht es uns nicht einfach, ein träges, komplexes System mit einer Vielzahl an Wechselwirkungen. Die Bilder vom Eisbär auf seiner schmelzenden Scholle, sinnbildlich für den Klimawandel, haben wenig Wirkung: zu weit weg, zu abstrakt, zu wenig relevant für den Einzelnen. Genauso wie im Bild gestern: 18 % der Insekten betroffen… vielleicht nicht so schlecht, denn das sommerliche Kratzen von Insekten auf der Windschutzscheibe gibt es schon heute kaum noch.
Versuchen wir es einmal konkreter zu beschreiben. Nick Reimer und Toralf Staud haben ein empfehlenswertes Buch geschrieben, das die Auswirkungen des Klimawandels für Deutschland unaufgeregt aber trotzdem eindringlich beschreibt. Ein paar Auszüge daraus hier für Euch.
…Die Vegetationsperiode im Frühjahr hat sich seit 1961 bereits um fast 3 Wochen nach vorn verschoben. Das hat massive Auswirkungen auf Flora und Fauna. Vögel brüten früher, so dass das Kuckucksweibchen Probleme hat, irgendjemandem ihre Eier unterzumogeln. Der Igel wacht früher aus dem Winterschlaf auf und findet so früh im Jahr noch nicht genug Nahrung. Das Frostrisiko nach der Blüte steigt, was Erträge reduziert.
…Tschüß Fichte. Noch nie seit Beginn der Statistik des Waldzustandsberichts 1984 ging es dem deutschen Wald so schlecht wie heute. 2020 waren weniger als ein Viertel des deutschen Waldes „intakt“. Unsere heutige Vorstellung von Wald werden nachfolgende Generationen nicht mehr erleben. Die Fichte, aus Sibirien nach Deutschland gebracht, braucht viel Wasser und kühle Sommer – sie wird verschwinden. Schädlinge wie der Borkenkäfer, Buchdrucker, Eichenprozessionsspinner, oder aggressive Pilze breiten sich aus. Die Buche leidet, ebenso die Eiche – nur 17% der Eichenflächen in Deutschland erfreuen sich guter Gesundheit. Die Gemeine Esche, Ulme und Rosskastanie stehen vor dem Aussterben. Der „Waldumbau“ zu neuen, widerstandsfähigeren Arten, dauert lange und ist Neuland – der deutsche Wald wird in Zukunft eher so aussehen, wie wir es aus dem Mittelmeerraum kennen.
…Von den ca. 72,000 Pflanzen- und Tierarten in Deutschland können in den nächsten Jahrzehnten bis zu 30% aussterben.
…Weniger Niederschläge im Sommer, und diese eher als Starkregen statt gut verteilt. Der Boden nimmt dann dieses viele Wasser nicht gut auf, was insbesondere den Landwirten Sorgen macht. Weniger Grundwasser wird gebildet. Ein warmer Frühling verstärkt die Trockenheit im Sommer noch. Zu trockene Sommer wie 2018/2019 werden eher Regel als Ausnahme sein. Wassermangel wird von Brandenburg bis Niedersachsen akut.
…Der Weizen ist ein Verlierer des Klimawandels, stattdessen werden Kichererbsen, Soja oder Hirse weit verbreitete Ackerkulturen in Deutschland. Eiswein gehört der Vergangenheit an. Milchkühe stehen ab 24 Grad unter Wärmestress, ihre Milchleistung sinkt deutlich. Auch Schweine und Hühner können nicht schwitzen und gedeihen nicht im gleichen Maße. Die Fischbuden an der Ostsee werden statt Hering immer öfter importierten Fisch anbieten müssen.
…stärkere und längere Hitze. Die Hitzewelle 2003 forderte mehr als 7000 Menschenleben in Deutschland. So ein Sommer wird bis 2050 normal sein, bis Ende des Jahrhunderts als eher kühl wahrgenommen werden. In Bayern und BW werden dann ca. 12-14 tropische Tage (feucht-heiß) pro Jahr erwartet. Ausschläge werden oberhalb der 45 Grad liegen, und das bei dann ca. 10 Millionen Menschen über 80 in Deutschland. Klimaanlagen in Gebäuden und Transportmitteln werden zum Standard und üben zusätzlichen Druck auf die Energiewende aus. Urlaube am Mittelmeer werden ihren Reiz verlieren, und beim Schnorcheln wird man Korallenriffe umsonst suchen. Und Skifahren wird in immer weniger Gebieten möglich sein und wird zunehmend zum Luxus.
…Wir werden mit neuen Krankheiten zu tun haben. Schon heute breiten sich tropische Mücken- und Zeckenarten in Europa aus. Sie bringen als Gastgeschenke Dengue, das West-Nil Virus, Fleckfieber und Hantaviren.
…Auch bei importierten Waren werden wir uns umstellen müssen. Mandeln, Walnüsse, Pistazien getrocknete Aprikosen, Kaffee, Schokolade haben das Potential, zu seltenen Luxusgütern zu werden. Und viele der Importe, die die deutsche Wirtschaft benötigt kommt aus Ländern, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, u.a. Platin, Kobalt, Bauxit, Nickel, Kupfer, Zinn.
…Oft vergessen wird das Thema der Sicherheit und politischen und gesellschaftlichen Stabilität. Eine Vielzahl von Ländern insbesondere im globalen Süden kann politisch destabilisiert werden. Hitze, Wasserknappheit und das Bröckeln von Wirtschaft und Landwirtschaft betreffen potentiell 1-3,5 Milliarden Menschen. Bis 2050 sind 200 Millionen Klimaflüchtlinge denkbar – oft innerhalb der jeweiligen Länder, aber immer stärker auch Richtung Globalem Norden. Das stellt die Flüchtlingskrise aufgrund des Syrienkrieges 2015 komplett in den Schatten.
Diese Informationen sind keine leicht verdauliche Kost. Aber sie sind auch keine Panikmache, sondern teilweise heute schon Realität. Umso wichtiger sind die Maßnahmen, die wir ergreifen, um das Ausmaß der Erderwärmung zu begrenzen und so die Auswirkungen der Klimaerhitzung in einem erträglichen Rahmen zu halten. Was wir tun können, was mehr oder weniger Wirkung hat oder was sogar nur Mythos ist, darauf werden wir in zukünftigen Artikeln noch eingehen.

Foto: Rainer Köpsell
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