Ich bin zurück mit einem neuen Thema für Euch, der Mode- und Bekleidungsindustrie. Lange habe ich mich damit schwanger getragen, denn mein Verhältnis zu dieser Industrie ist zwiegespalten, um es diplomatisch auszudrücken.

Als ich vor 20 Jahren meine berufliche Laufbahn bei adidas begann, wurde ich Teil einer Sportmarke, die noch fast familiär und mittelständisch geprägt war. Jeder der mich kennt weiß, wie sehr ich mich mit dieser Marke identifiziert habe. Als Kind des Ostens war es ein Privileg, ein Paar adidas Schuhe zu besitzen, Die Marke hatte im Ostblock der 80er Jahre einen Mythos aufgebaut, dem ich mich nicht entziehen konnte. Ich erinnere mich an die Bilder der Olympischen Spiele, wo die drei Streifen allgegenwärtig waren. Sie standen für den Sport, sie waren der Sport.

Zwei Jahrzehnte später verließ ich einen Modekonzern, der die DNA des Sports zwar noch in sich trug, der aber geprägt war von sich immer schneller drehenden Kollektionen, kommerziellen Paketen, Speed-Produktentwicklung und Markteinführung, Hype-Kooperationen und Partnerschaften mit Modelabels, Musiksuperstars und Designern, exklusiven Kollektionen für Handelspartner und die eigenen Vertriebskanäle, regionale Produktentwicklungszentren, undsoweiterundsofort. Jede nur erdenkliche kommerzielle Nische wurde erschlossen. Distribution! Produkt- und Kanalsegmentierung! Exklusivitäten! SMUs! Collaborations! Hype! Energy!

Zehntausende Produkte jede Saison kreiert, designt, entwickelt, verkauft, vermarktet. Eine gigantische Maschine, die sich immer schneller dreht und jegliche Konsumententrends versucht zu finden, bevor genau diese Konsumierenden wissen, dass sie dieses Bedürfnis überhaupt haben.

Noch immer war adidas eine tolle Marke für mich, aber mit dem Geschäft und der Industrie konnte ich mich nicht mehr im gleichen Maße identifizieren. Und dabei ist adidas nicht mal der größte und wichtigste Spieler in der gigantischen Modeindustrie. Die heißen Inditex, Nike, LVMH, H&M, sie weisen Marktbewertungen von jeweils 50-100 Milliarden Euro auf.

  • Pro Jahr werden weltweit mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert, das sind 62 Millionen Tonnen Textilien.
  • Die Modeindustrie ist verantwortlich für 4-8% der gesamten CO2 Emissionen (2-4 Milliarden Tonnen CO2, das entspricht den gesamten Emissionen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien kombiniert, oder aber mehr als die globale Luft- und Seefahrt zusammen).
  • Mit einem Wasserverbrauch von 80 Milliarden Kubikmetern ist sie der zweitgrößte Wasserverbraucher und sorgt für 20% der weitweiten industriellen Wasserverschmutzung.
  • Jedes Jahr landen nicht nur 92 Millionen Tonnen an Textilien im Müll, sondern sorgen auch für 35% aller Plastikmikrofasern in den Ozeanen.
  • Die Baumwollindustrie nutzt nur 3% der landwirtschaftlichen Flächen weltweit, verbraucht aber 4% aller Düngemittel, 7% aller Pflanzenschutzmittel, und 18% aller Insektizide.
  • Bis zu 250 Millionen Menschen sind entlang der Wertschöpfungskette der Baumwollindustrie beschäftigt, dutzende Millionen Menschen insbesondere im globalen Süden produzieren Materialien und Stoffe, färben, verarbeiten, nähen, versenden und verpacken Kleidung.
  • Es wird davon ausgegangen, dass die Modeindustrie bis 2030 um weitere 80% wachsen wird.

Um diese gigantischen Wachstumsambitionen überhaupt irgendwie mit den planetaren Grenzen vereinbar zu halten, ist das Thema der Stunde die Nachhaltigkeit.

Drei Viertel aller Konsumenten sagen, ihnen ist Nachhaltig extrem oder sehr wichtig. Da passt es ganz gut, dass sich eigentlich alle Modefirmen, ob Marken oder Händler, die Nachhaltigkeit als Ziel auf die Fahnen geschrieben haben.

H&M: „Bei der H&M Gruppe berücksichtigen wir die Bedürfnisse heutiger und zukünftiger Generationen und sind uns bewusst, dass unser gesamtes Geschäft auf eine Weise geführt werden muss, die wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig ist. Deshalb setzen wir uns klare Ambitionen und ehrgeizige Ziele.“

Zara: „Wir bei Zara arbeiten kontinuierlich daran, unser Handeln nachhaltiger zu gestalten. … Wir haben eine Roadmap mit einer ganzheitlichen Vision entwickelt, die sowohl menschliche Herausforderungen als auch Herausforderungen in Bezug auf den Planeten einbezieht.“

Primark: „Wir setzen uns für eine bessere Erde ein. Wir helfen dabei, den textilen Müll zu reduzieren, indem wir langlebige und recycelbare Kleidung herstellen … Wir werden mit unseren Lieferanten zusammenarbeiten, um unseren CO2-Fußabdruck zu halbieren, umweltfreundlichere Energiequellen zu nutzen und die Natur durch regenerative Anbaumethoden, weniger Wasserverbrauch und weniger Chemikalieneinsatz zu beleben. … Wir werden das alles machen und unseren Kunden dabei weiterhin unsere Preise bieten. Denn wir wollen, dass jeder Teil dieses Wandels sein kann.“

Uniqlo: „Seit mehr als 20 Jahren ist UNIQLO auf dem Weg der Nachhaltigkeit. Als globales Unternehmen, das verantwortungsbewusste Kleidung herstellt, setzen wir uns für einen gesunden Planeten, eine gesunde Gesellschaft und Menschen ein.“

adidas (Motto „End Plastic Waste“ – „Schluss mit Plastikmüll“): „Unser Ziel ist es, ein nachhaltiges Unternehmen zu sein. … Bis 2025 werden 9 von 10 Produkten nachhaltig sein. Nachhaltig sind für uns Artikel, die aufgrund der verwendeten Materialien Umweltvorteile gegenüber herkömmlichen Artikeln haben, d.h. – in erheblichem Maße – aus ökologisch bevorzugten Materialien hergestellt sind. Außerdem werden wir bis 2025 die Treibhausgasemissionen pro Produkt um 15 % senken.“

Nike: „Move to Zero ist ein Projekt von Nike mit dem Ziel, den CO2 Ausstoß und den Abfall auf Null zu reduzieren, um die Zukunft des Sports zu sichern. Folge uns auf unserem Weg und entdecke neue Möglichkeiten, wie wir zusammen zur Klimaneutralität beitragen können.“

Wir sind in guten Händen.

Sind wir das?

In den kommenden Artikeln werden wir einen Blick hinter die Kulissen der Modeindustrie werfen.

Teil 1: Die Wertschöpfungskette

Teil 2: Die Menschen in der Wertschöpfungskette

Teil 3: Materialien und Ressourcen

Teil 4: Das Müllproblem

Teil 5: Recycling und Kreislaufwirtschaft

Teil 6: Innovative Geschäftsmodelle

Teil 7: Überproduktion

Teil 8: Greenwashing

Teil 9: Konsum

Teil 10: Was nun?

(Quellen: Gesamtauflistung aller Quellen hier)

Foto: Harper Sunday auf Unsplash