Fragt man Kunden, warum sie Kleidung weggeben, werden drei wichtige Gründe genannt: „Mag es nicht mehr“ (26%), „Passt nicht mehr“ (42%), und „Kaputt“/“Abgetragen“ (19%). Innovative Geschäftsmodelle können teilweise Abhilfe schaffen: Mode im Abonnement oder kurzfristig, Second Hand Mode, Reparaturdienste. Die Nutzungsdauer von Kleidung würde sich verlängern, im Vergleich zu neuer Kleidung würde kein Material verbraucht, und es werden Emissionen, Wasser und Energie eingespart.

Wiederverkauf (Re-Sale, Re-Commerce, Secondhand)

Besonders bei jungen Konsumenten, Millenials und Generation Z, ist der Kauf gebrauchter Kleidung vollkommen normal, 40% von ihnen präferieren sogar Second Hand Mode. Sie tun das um Geld zu sparen, um Spaß bei der Jagd nach besonderen Stücken zu haben, aber auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. Aufgrund der aktuell sehr hohen Inflation geben fast die Hälfte der Konsumenten weniger Geld für Kleidung aus, Second Hand wird dadurch attraktiver. Fast die Hälfte denkt beim Kauf sogar schon an den potentiellen Wiederverkaufswert.

Der Markt für Seond Hand Mode ist riesig. Letztes Jahr bereits 119 Milliarden USD groß, wird er bis 2026 3x so schnell wachsen wie der Gesamtmarkt der Modeindustrie. Bis 2030 könnte gebrauchte Mode einen Marktanteil von 12% erreichen.

Quelle: ThredUp
Quelle: ThredUp

Bislang dominiert von Seond Hand Läden, haben sich in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Wiederverkaufsplattformen entwickelt, der Online-Verkauf von gebrauchter Kleidung wird bis 2026 bereits die Hälfte des Umsatzes ausmachen. Corona hat diesen Trend noch beschleunigt. Konsumenten sortieren ihren Kleiderschrank regelmäßig aus – in den USA haben 53% der Konsumenten letztes Jahr gebrauchte Kleidung gekauft, 57% haben welche verkauft, und die Hälfte der restlichen Konsumenten ist offen dafür, das in Zukunft zu tun.

In Deutschland gibt es heute eine Vielzahl von Anbietern und Plattformen, wo zehntausende oder sogar hunderttausende Kleidungsstücke aus zweiter Hand verkauft werden: Kleiderkreisel, Maedchenflohmarkt, Second Life Fashion, About You, Zalando Zircle. Auf Momox sind es sogar 1,6 Millionen Teile. Marken und Händler versuchen dabei, das Marktpotential von gebrauchter Mode guter Qualität zu nutzen und dem Kunden die gewohnte Kundenerfahrung zu bieten: Zugang, Komfort, Service und Vertrauen. Daher sind sie bei der Annahme gebrauchter Kleidung eher wählerisch, aufgrund der geringen Produktqualität von Fast Fashion fällt ein großer Teil der gebrauchten Kleidung durchs Raster.

Mietkleidung als Kurzzeitmiete (short-term rental) oder im Abonnement (rental subscription)

Auch dieses Segment hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt, denn 40% der Konsumenten können sich vorstellen, Mode zu mieten. Das Marktpotential sollte bis 2023 die 2 Milliarden USD Umsatz knacken, aber Corona hat das Mietmodesegment hart getroffen – niemand ging mehr aus und brauchte daher auch keine ständig wechselnde Mode. Erst jetzt erholt sich der Markt der Mietmode langsam wieder.

Im Fall der Mode im Abonnement bezahlt der Kunde einen monatlichen Betrag und erhält dafür eine bestimmte Zahl an Kleidungsstücken bzw. Outfits. Damit kann nicht nur der persönliche Geschmack der Kunden getroffen, sondern auch der Wunsch nach ständig wechselnden trendigen Outfits erfüllt werden. In Deutschland war dabei Outfittery Vorreiter, aber mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Angeboten inklusive Zalando Zalon oder, als sehr nachhaltige Version, pool Berlin.

Ein weiteres Modell ist das der kurzfristigen Miete von Kleidung. Oft ist das Baby- oder Kinderkleidung, Schwangerschaftskleidung, technische Sportkleidung, Formalwear oder Luxusmode. Das ermöglicht Kunden nicht nur, Zugang zu Kleidung zu erhalten, die nur kurze Zeit benötigt wird (z.B. für das Wochenende in den Bergen oder die besondere Feier), sondern erlaubt es ihnen auch, etwas mutiger in ihrer Kleidungswahl zu sein und Neues auszuprobieren. Allerdings sind dabei einige Herausforderungen zu meistern: die Auswahl von Kleidung in hoher Qualität, die viele Mietzyklen mitmacht, die Logistik der Abholung/ Abgabe und Lieferung, das Nachverfolgen der Kleidung, und die Reinigung und Verpackung der Kleidung nach Gebrauch. Daher hat sich dieses Modell bislang eher im hochwertigen und Luxussegment durchgesetzt.

Obwohl es intuitiv erscheint, dass geliehene Kleidung nachhaltiger ist als neue zu kaufen, ist es in Realität nicht ganz so einfach. Ein online bestelltes und zurückgeschicktes Kleidungsstück kann pro Weg 20kg CO2 verursachen, bei Expresslieferung sogar 50kg. Ein im Laden gekauftes Kleidungsstück kann einen geringeren Fußabdruck haben. Auch wird Mietmode oft wie neu in Plastikfolie verpackt und in neuen Versandkartons verschickt. Die Reinigung der Kleidung nach jedem Kunden ist in der Regel energie- und wasserintensiv und kommt nicht ohne Chemikalien aus. Im Fall von Rent the Runway ergibt sich nach eigenen Aussagen so z.B. gerade mal eine Einsparung von 3% an CO2 Emissionen im Vergleich zum Kauf neuer Kleidung.

Ein weiteres, kleineres, Geschäftsmodell ist die Wiederaufarbeitung und Reparatur von Kleidung.

Dafür gibt es bislang nur wenige Beispiele, denn es ist arbeits- und kostenintensiv. Patagonia unterhält in den USA das größte Reparaturzentrum Amerikas für Outdoor-Kleidung. Sportartikler bieten Kunden hier und da die Aufarbeitung von Sneakern in den Läden der jeweiligen Marke an. Auf breiter Basis existiert das bislang kaum, und wer öfter mal beim Schuster oder in der Änderungsschneiderei zu Besuch war, kennt das Dilemma, dass man oft überlegt, ob sich die Kosten für eine Reparatur im Vergleich zum Neukauf lohnen. Oft bejaht man das nur bei hochwertigen und hochqualitativen Produkten.

Hat sich die Dynamik der Geschäftsmodelle wie Rental oder Resale in kommerziellen Erfolg der Anbieter übersetzt? 

Rent The Runway, der 2009 gegründete Pionier von Mietmode, konnte sich zwar hunderte Millionen USD an Finanzierungskapital beschaffen, schrieb aber seit seiner Gründung nur rote Zahlen. Trotz Erholung nach einer harten Zeit während der Corona Pandemie stand letztes Jahr ein Minus von 211 Millionen USD bei 203 Millionen USD Umsatz, im ersten Quartal 2022 waren es bislang minus 42 Millionen bei 67 Millionen Umsatz.

ThredUp, ebenfalls ein Pionier (im Wiederverkaufssegment) machte 2021 bei 252 Millionen USD Umsatz 63 Millionen Verlust.

Der deutsche Anbieter Outfittery veröffentlicht keine aktuellen Zahlen, aber das Bild ist ähnlich. 2019 waren es bei 71 Millionen Euro Umsatz 20 Millionen an Verlust.

Ob diese Geschäftsmodelle am Ende auf breiter Basis erfolgreich, das heißt profitabel, sein werden, muss final noch bewiesen werden.

Für eine kreislauffähige und nachhaltigere Modeindustrie haben sie eine Daseinsberechtigung und sind sogar eine absolute Notwendigkeit. Es wird geschätzt, dass für die Einhaltung des 1,5 Grad Pfades von Paris mindestens 1 von 5 Kleidungsstücken über zirkuläre Geschäftsmodelle angeboten werden muss. Aber das allein reicht nicht aus, es braucht auch durchgängig hochwertige und langlebige Produkte, die einfach zu reparieren sind, um ihre Lebensdauer zu maximieren.

Der wichtigste Faktor allerdings liegt im der Abkehr vom Verständnis von Kleidung als Wegwerfartikel. Es gibt mittlerweile einiges an Indikatoren, dass das Marketing von zirkulärer Mode zu noch mehr Konsum führt. Der Eindruck, durch den Kauf oder Verkauf von Second Hand Kleidung oder die Nutzung von gemieteter Mode einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten kann zu noch mehr Konsum ohne Reue führen.

Gebraucht zu kaufen ist besser als neu zu kaufen, aber gar nicht zu kaufen ist mit Abstand die beste Option.

(Quellen: Gesamtauflistung aller Quellen hier)

Foto: Becca McHaffie auf Unsplash