Die Modeindustrie ist verantwortlich für Dutzende Millionen Tonnen Müll. Die genauen Zahlen variieren je nach Quelle… irgendwo zwischen 50-90 Millionen Tonnen. Das ist ziemlich viel… bildlich gesprochen eine LKW-Ladung an Kleidungsmüll jede einzelne Sekunde, um verbrannt zu werden oder auf einer Mülldeponie zu landen. Eine weitere anschauliche Visualisierung findet Ihr hier.
Wenn die Modeindustrie mit „business as usual“ weitermachen würde, dann würde zwischen 2015 und 2050 das zehnfache Gewicht der gesamten menschlichen Weltbevölkerung an Bekleidungsmüll anfallen.
Dabei gibt es zwei Arten von Müll: Pre-Consumer (vor Gebrauch) und Post-Consumer (nach Gebrauch).
Pre-Consumer Müll fällt in der Produktion an. Je nach Art des Kleidungsstücks, des Designs und Schnitts, fallen zwischen 10 und 20% an Produktionsmüll an. Darüber hinaus zählt hierzu auch der sogenannte „Dead-Stock“, neue und unverkaufte Kleidungsstücke sowie Retouren. In den Niederlanden waren das in einer Studie 6,5% (21 Millionen Kleidungsstücke). Zara verkauft 10-15% ihrer sehr saisonalen Kleidung nicht. In Deutschland bleibt bis zu jedes 5. Kleidungsstück unverkauft, vorsichtigere Schätzungen gehen von jedem 10. Teil aus, das sind 350 Millionen Kleidungsstücke. Diese unverkaufte Kleidung wird oft vernichtet. Burberry erlebte ein PR Debakel, als sie Kleidung im Wert von 28 Millionen Pfund verbrannten, H&M verbrannte unverkaufte Kleidung in Dänemark, auch Luxusmarken vernichten Überbestände, um sie nicht verramschen zu müssen.
Der große Anteil des Mülls ist jedoch Post-Consumer Müll. In den USA werden pro Person und Jahr 36kg Kleidung entsorgt, das ist doppelt so viel wie vor 20 Jahren. In Europa sind es je nach Land zwischen 13-25kg. Der erste Schritt, um diese Textilien weiterzuverarbeiten ist die Sammlung von Alttextilien. Dabei ist Deutschland Weltmeister, hier werden drei Viertel des Bekleidungsmülls dem Textilrecycling zugeführt, das waren 2018 1,3 Millionen Tonnen. Viele Länder haben allerdings keine adäquate Infrastruktur zum Sammeln, Sortieren und Weiterverarbeiten von Bekleidungsmüll.
Die Ellen MacArthur Foundation hat in einer umfangreichen Studie ermittelt, dass 97% der gesamten Kleidungsproduktion mit Einsatz von neuen (natürlichen oder synthetischen) Materialien hergestellt wird, und 87% davon einem potentiellen Kreislaufsystem verlorengehen, 12% fallen an Verlusten in der Produktion an, 2% gehen im Sortier- und Verarbeitungsprozess verloren, und 73% landen im Müll (ein viel höherer Anteil als uns oft suggeriert wird)
Zwei Drittel davon endet weltweit auf Mülldeponien. Anders als Bananenschalen kann man die allermeiste Kleidung nicht kompostieren. Sogar natürlichen Materialien gehen auf ihrem Weg hin zum fertigen Kleidungsstück durch eine Vielzahl chemischer Prozesse: Bleichen, Färben, Bedrucken… Dazu kommen Unmengen synthetischer Kleidung. Also verrotten sie langsam, oft über hunderte von Jahren, setzen Chemikalien in Boden und Grundwasser frei, und entlassen Methan, ein potentes Treibhausgas, in die Atmosphäre.
Das andere Drittel wird thermisch verwertet, also verbrannt. Von einem echten Recycling kann man nicht sprechen, denn bei der Verbrennung von Textilien wird nur 3-5% der Energie zurückgewonnen, die zur Herstellung benötigt wurde. Darüber hinaus entstehen bei der Verbrennung giftige Abgase mit Toxinen und Schwermetallen. Auch in den besten Verbrennungsanlagen haben diese Stoffe Auswirkungen auf die Arbeiter und die umliegende Gemeinschaft.
Es verbleibt ein kleiner Rest an Kleidung, der recycelt wird: 12% gehen ins Downcycling und werden Isoliermaterial, Putzlappen oder Matratzenfüllungen. Nur 1% aller Kleidungsstücke endet in einem geschlossenen Kreislauf und wird zu neuer Kleidung weiterverarbeitet. Diese Zahl schrumpft auf 0,1%, wenn man nur die getragenen und danach gesammelten Kleidungsstücke betrachtet. H&M hat ein umfangreiches Rücknahmeprogramm für Alttextilien, in eigenen Läden oder über Partnerorganisationen, auch dort werden nur 0,1% in neue Textilfasern weiterverarbeitet.
Jetzt könnte man denken, all die eingesammelte Altkleidung verbleibt im selben Land, ob als Recyclingware oder als Müll. Die Realität sieht leider anders aus. Diese Textilien werden in Sammelstellen von karitativen oder kommerziellen Organisationen nach Qualität sortiert. Die besten Stücke bekommen ein zweites Leben im Second-Hand Handel, weitere gehen ins Downcycling oder Recycling (das besprechen wir im nächsten Teil der Serie), ein Teil wandert in den Müll.
Ein großer Teil aber wird in Ballen zusammengepackt und geht auf eine Reise über die Ozeane: nach Asien, Südamerika oder Afrika. Gespendete Kleidung ist oft keine Spende im eigentlichen Sinne, sondern wird für 400-800 Euro pro Tonne weiterverkauft. Einer der Orte, an dem diese Kleidung letztendlich landet, ist der Kantamanto Markt in Accra, der Hauptstadt Ghanas. Dort kommen wöchentlich 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke an. Die Qualität und der Zustand dieser Kleidung ist schlecht: 40% der „Dead White Men’s Clothes“ (Kleidung toter weißer Männer) genannten Kleidungsstücke werden sofort entsorgt. Sie werden verbrannt oder enden auf Mülldeponien oder entlang der Flüsse und Gewässer. Kantamanto wird in zunehmendem Maße von Kleidung minderwertiger Qualität überschwemmt, ein Ergebnis des Siegeszugs der Fast-Fashion Industrie. Nur jeder sechste Textilhändler macht noch Gewinne. Es gibt nicht genug Nachfrage für die Art von Kleidung, die wir im globalen Norden entsorgen.
Maxine Bédat beschreibt es in ihrem großartigen Buch „Unraveled“ so: „Auf eine traurige Weise macht diese letzte Etappe der Reise unserer Kleidung absolut Sinn. Zuerst wurden Arbeit und Produktion nach Übersee verlagert, wo die Abwesenheit von Regularien alles billiger und die schmutzige Realität der Kleidungsproduktion für uns unsichtbar machte. Jetzt passiert das Gleiche mit unserer abgelegten Kleidung: Länder ohne zuverlässige Infrastruktur ersticken in unserem Müll.“
(Quellen: Gesamtauflistung aller Quellen hier)
Foto: WECF France
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